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Reisetagebuecher

Reisetagebuecher

Titel: Reisetagebuecher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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und hüllt sich schließlich ganz ein, bis ihm, wie man erkennt, gerade angenehm warm wird. Bewegungen der Beine zeigen, trotzdem er sitzt, wie leicht und geradezu sorgenlos ein Österreicher in so einem Kragen gehen kann. Es ist fast gar kein Spott dabei, es wird vielmehr vorgebracht wie von einem der Reisen gemacht und daher einiges gesehen hat. Etwas Kindlichkeit mischt sich zu.

    Mein Spaziergang im dunklen Gärtchen vor dem Sanatorium.

    Morgenturnen mit Absingen eines Wunderhorn Liedes, das einer auf dem Piston vorbläst.

    Der Sekretär der jeden Winter Fußreisen macht nach Budapest, Südfrankreich, Italien. Bloßfüßig, nährt sich dann nur von Rohkost (Schrotbrot, Feigen, Datteln) wohnte mit 2 andern 14 Tage lang in der Gegend um Nizza meist nackt in einem verlassenen Hause.

    Dickes kleines Mädel, das sich häufig in der Nase bohrt, gescheit aber nicht besonders hübsch ist, eine Nase ohne Zukunft hat, Waltraute heißt und von der ein Fräulein sagt daß sie etwas Strahlendes habe.

    17

    Die Säulen im Speisesaal, über die ich im Prospekt nach der Abbildung (hoch, glänzend, Marmor durch und durch) erschrak, derentwegen ich mich während der Überfahrt auf dem kleinen Dampfer verwünschte und die schließlich sehr bürgerlich, aus Ziegeln gebaut waren, schlechte Marmorzeichnung tragen und auffallend niedrig sind.

    Lustiges Gespräch eines Mannes im Birnbaum meinem Fenster gegenüber mit einem mir nicht sichtbaren Mädchen im Erdgeschoß.

    Angenehmes Gefühl als der Arzt wieder und wieder mein Herz abhorchte, den Körper immer wieder anders gelegt haben wollte und nicht ins Reine kommen konnte. Besonders lange betastete er die Herzgegend, es dauerte so lang, daß es fast gedankenlos schien.

    Streit der Frauen nachts im Coupee, dessen Lampe sie verhängt haben. Wie die liegende Französin aus dem Dunkel schrie und die von ihren Füßen an die Wand gedrückte schlecht französisch sprechende ältere Frau sich nicht zu helfen wußte. Nach der Meinung der Französin sollte sie von diesem Platz weggehn, ihr vieles Gepäck auf die andere Seite, den Rücksitz transportieren und sie dort ausstrecken lassen. Der griechische Arzt aus meinem Coupee gab ihr in schlechtem klaren scheinbar auf der deutschen Sprache basierten Französisch ausdrücklich Unrecht. Ich holte den Schaffner der sie auseinandersetzte.

    Schon wieder mit jener Dame beisammen, die übrigens auch eine Schreibnärrin ist. Sie trägt eine Schreibmappe bei sich mit viel Briefpapier, Karten, Federn und Bleistiften, was im Ganzen sehr anfeuernd ist.

    Jetzt ist es hier, wie in einer Familie. Draußen regnet es, die Mutter legt Karten und der Sohn schreibt. Sonst ist niemand im Zimmer. Da sie schwerhörig ist, könnte ich ihr auch Mutter sagen.

    Trotz meines äußersten Widerwillens gegen das Wort "Typus" halte ich es doch für wahr, daß durch die Naturheilkunde und was damit zusammenhängt ein neuer Typus entsteht, den z. B. Hr.
    Fellenberg, den ich allerdings nur oberflächlich kenne, repräsentiert. Leute mit dünner Haut, ziemlich kleinem Kopf, übertrieben reinlich aussehend, mit ein, zwei kleinen nicht zu ihnen gehörigen Einzelheiten (bei Hr. F. fehlende Zähne, Bauchansatz), größere Magerkeit, als sie zur Anlage ihres Körpers passend scheint d. h. unterdrücktes Fett, Behandlung ihrer Gesundheit, als wenn es eine Krankheit wäre oder zumindest ein Verdienst (womit ich nicht tadle) mit allen sonstigen Folgen eines so forcierten Gesundheitsgefühls.

    In der Opera comique auf der Gallerie. In der ersten Reihe ein Herr im Gehrock und Cylinder, in einer der letzten ein Mann im Hemd (das er vorn noch eingelegt hat, um die Brust frei zu bekommen), bereit ins Bett zu steigen.

    Der Trompetenbläser, den ich für einen lustigen, glücklichen Menschen gehalten hätte [denn er ist beweglich, hat scharfe Einfälle, sein Gesicht ist von blondem Bart niedrig umwachsen und endet in einem Spitzbart, er hat gerötete Wangen, blaue Augen, ist praktisch angezogen], hat mich heute im Gespräch über seine Verdauungsbeschwerden mit einem Blick angesehn, der auffallend mit gleicher Stärke aus beiden Augen kam, die Augen förmlich spannte, mich traf und schief in die Erde gieng.

    Nationale Streitigkeiten in der Schweiz. Biel eine vor paar Jahren ganz deutsche Stadt ist durch Einwanderung vieler französischer Uhrmacher in Gefahr französiert zu werden. Der Tessiner Canton der einzige italienische will von der Schweiz los. Es gibt eine Irridenta. Die

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