Rembrandts Vermächtnis (German Edition)
neuer Ware ins Pastorenhaus und manchmal auch Maler, die sich auf Reisen befanden. Es hatte sich nämlich schnell in der Gegend herumgesprochen, dass der Jan Goltzius ein leidenschaftlicher Kunstsammler war.
Für manche Gemälde zahlte der Pastor einen halben oder auch einen ganzen Jahreslohn. Andere dagegen kosteten nicht mehr als drei Tagelöhne eines Schuhmachers oder Bäckers. Ich nahm an, der Preis müsse etwas mit der Größe der Leinwand zu tun haben. Doch Pastor Goltzius erklärte mir, dass der Wert eines Bildes davon abhing, wie berühmt sein Maler war.
Weil ich eine schöne Handschrift hatte und recht geschickt schrieb, durfte ich ihm helfen, eine Liste seiner Bilder und Bücher zusammenzustellen. So lernte ich nach und nach Namen von Künstlern kennen. Viele kamen aus Holland oder den Niederlanden wie Frans Hals, Jan Vermeer, Willem van de Velde, Pieter Paul Rubens oder Salomon van Ruysdael. Aber es waren auch Italiener dabei, die meist nur einen Vornamen trugen: Raffael, Michelangelo, Tizian.
Ich stellte fest, dass es ganz unterschiedliche Arten von Bildern gab. Landschaften, See- und Blumenstücke, Bilder, die von einem wichtigen Ereignis erzählten und solche, auf denen nur Menschen dargestellt waren. Weil ich wusste, dass der Pastor nie müde wurde, über Kunst zu reden, fragte ich ihn, welche von diesen verschiedenen Bildersorten die bedeutendste sei.
„Es freut mich, dass du so viel Interesse zeigst, Samuel. Das wichtigste Thema in der Malerei ist die Historie, besonders die biblische, in der die Güte und Allmacht unseres Herrn im Bilde sichtbar werden. Aber manche Bürger geben auch Bildnisse von sich selbst in Auftrag, wenn sie zu Wohlstand gekommen sind. Und sie lassen sie sich einiges kosten. Für die meisten Künstler lohnt heutzutage mehr, einen reichen Bankier zu malen als die Geschichte von der Flucht nach Ägypten. Oder das Wunder der Hochzeit zu Kanaa, in der unser Herr Wasser in Wein verwandelte.“
Je mehr Pastor Goltzius mir über Malerei sagte, desto neugieriger wurde ich, und desto großartiger erschien mir die Welt der Bilder. Wie eintönig und reizlos kam mir im Vergleich dazu die Beschäftigung mit grob gewirkten Stoffen in immer gleichen Zuschnitten vor.
Einmal, als ich den Schnitt für ein Wams kopieren sollte, zeichnete ich ganz in Gedanken auf das Vorderteil des Papierbogens einen Mann mit Pluderhose, Schoßrock und pelzbesetztem Mantel. Und auf einen anderen Bogen eine junge Frau in einer bestickten Robe, mit Blüten im Haar und in den Händen.
„Samuel, so etwas nennst du ein ordentliches Schnittmuster? Soll ich jetzt vielleicht vornehme Städterkleidung nähen, damit unsere Bauern in Gewändern aus Seide auf den Feldern ernten? Und ihre Frauen mit Blumenkränzen auf dem Kopf am Herd stehen und einen Bohneneintopf kochen? Ich habe nur Nachsicht mit dir, weil du der Sohn meiner Schwester bist. Wenn du so weitermachst, weiß ich nicht, was noch aus dir werden soll“, rügte mich mein Onkel.
Eine ganze Woche lang zögerte ich, bis ich die beiden Zeichnungen mit zu Jan Goltzius nahm und sie ihm zeigte. Der blickte mich verwundert an.
„Wirklich erstaunlich, in der Tat. Du hast Talent, mein Junge. Vielleicht sogar mehr für einen Bildermaler als für einen Schneider.“
Meine Wangen glühten. Das war es, wovon ich träumte. Ich wollte Maler werden. Und zwar am liebsten einer von denen, die nur vornehme Leute darstellten. Etwa solche, wie die fremden Händler, die gelegentlich in unserem Dorfgasthaus übernachteten. Oder die so gebildet waren wie Pastor Goltzius und in einem großen Haus mit wertvollen Möbeln wohnten. Von diesem Wunsch hätte ich allerdings niemals jemandem zu erzählen gewagt.
Der Pastor geleitete mich in sein Studierzimmer.
„Hier, Samuel, ich möchte dir ein Album zeigen, das ich heute aus Amsterdam erhalten habe. Die Bilder darin hat ein bedeutender Künstler geschaffen. Sein Name ist Rembrandt van Rijn“, sagte er in einem Ton, aus dem ich tiefe Bewunderung heraushörte.
„Er ist zwar schon ein alter Mann. Aber viele halten ihn immer noch für den größten Maler Hollands. Leider habe ich noch nie eins seiner Gemälde kaufen können, Meister Rembrandt verlangt viel für seine Werke. Aber ich besitze einige Zeichnungen von seiner Hand, die ich günstig erstehen konnte. Das Blatt mit der Muschel, das ich dir einmal geschenkt habe, stammt übrigens auch von ihm.“
Das Album enthielt eine Reihe von Radierungen, die die Passion unseren
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