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Remember

Remember

Titel: Remember Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Jungbluth
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loszureißen. »Hör auf damit… Bitte, du tust mir weh!«
    Jetzt wollte sie nur noch raus, sich ganz klein machen und in eine Ecke verkriechen, allein, um in Ruhe nachzudenken.
    Sie versuchte noch einmal, sich von Michael zu befreien, doch in dem Moment überkam sie ein furchtbares Schwindelgefühl. Alle Geräusche und Stimmen drangen nur noch gedämpft zu ihr durch, als wäre ihr Kopf in dichte Watte gepackt. Sie schwankte und war fast froh, dass Michael sie immer noch festhielt.
    »Vorsicht, sie kommt!« Georges Stimme klang so heiser, als würde er sie nur selten benutzen.
    »Annabel«, flüsterte Michael und schaute sie dabei flehend an, »du darfst auf keinen Fall eine ihrer verdammten Pillen schlucken, verstehst du?« Dann löste er seinen Griff und ließ sich zurück auf seinen Stuhl fallen. Jede Emotion war plötzlich aus seinem Gesicht gewischt.
    Annabel starrte ihn verblüfft an. Auch George und Eric schienen sie plötzlich nicht mehr zu beachten.
    Ein dicker, alter Mann schlurfte vorbei und sang mit leiser, knabenhafter Stimme ein Kinderlied.
    Annabel zuckte zusammen, als ihr jemand von hinten auf die Schulter tippte. Doch es war nur eine Krankenschwester. Sie trug eine weiße Uniform und ein kleines Schild auf ihrer Brust wies sie als Schwester Shelley aus. Ihre wilden schwarzen Locken und die durchdringenden Augen standen in merkwürdigem Kontrast zu ihrer sanften Stimme. »Da bist du ja. Ich dachte, du wärst noch in deinem Zimmer. Komm, du hast Besuch. Deine Eltern sind hier.«
    Annabel atmete auf. Endlich würde sie erfahren, was vor sich ging und warum sie an diesem Ort war. »Wo sind sie?«, fragte sie und sah sehnsüchtig zur Tür.
    Schwester Shelley lächelte. »Ich bringe dich zu ihnen.«
    Sie nahm Annabels Hand und führte sie zur Tür.
    Annabels Blick fiel unwillkürlich auf ihr Handgelenk. Michaels Finger hatten deutliche Spuren auf ihrer Haut hinterlassen. Auch seine Worte geisterten noch immer durch ihren Verstand.
    Ich weiß, es hört sich verrückt an. Aber du musst so tun, als wären diese Leute deine Eltern.
    Verrückt. Ja, genau das war es.
    Annabel folgte der Schwester auf den Gang, ohne sich noch einmal umzusehen.
    Schwester Shelley wandte sich nach rechts. Traumwandlerisch lotste sie Annabel durch den trägen Schwarm sonderbarer Gestalten und redete dabei wie ein Wasserfall. Wie froh sie doch alle seien, dass es Annabel wieder besser gehe, und dass ihre Eltern es gar nicht erwarten könnten, sie zu sehen. Annabel versuchte, ihren Wortschwall zu unterbrechen. Sie wollte wissen, wie lange sie schon hier war und was ihr eigentlich fehlte, aber sie erhielt keine Antwort.
    Am Ende des Ganges versperrte ihnen eine vergitterte Sicherheitstür den Weg. Ein dicklicher, grauhaariger Mann in einer schlecht sitzenden Uniform bewachte den Durchgang. Er hockte in einem kleinen Kabuff, döste vor sich ihn und hatte ein kleines quäkendes Radio bis zum Anschlag aufgedreht.
    Die Schwester winkte dem Mann zu. Er reagierte nicht. Erst ein kräftiges Klopfen an die Scheibe des Kabuffs ließ den Wachmann sein Radio vergessen. Er lächelte schuldbewusst. Ein Summen erklang und die Tür sprang auf.
    »Danke, Mr Roseberk. Und machen Sie bitte das Radio leiser.«
    Normale Krankenhäuser haben doch keine Sicherheitstüren.
    Annabels Magen verkrampfte sich.
    Was glaubst du, wo du hier bist?, hörte sie Eric wieder sagen.
    Durch eine Glastür gelangten sie in ein Treppenhaus. Schwester Shelley deutete nach unten. »Wir müssen ins Erdgeschoss, zum Besucherraum.«
    Das Treppenhaus strahlte eine herbe Schönheit aus und hätte, wenn es nicht so heruntergekommen wäre, ein altes Theater oder ein kleines Opernhaus schmücken können. Das Treppengeländer war aus kunstvoll gearbeitetem Schmiedeeisen und besaß einen hölzernen Handlauf. Es fühlte sich rau an unter Annabels Hand. Die Stufen waren gut zweieinhalb Meter breit und so abgenutzt, als wären Legionen auf ihnen auf- und abmarschiert.
    Mitten auf der Treppe blieb die Schwester auf einmal stehen. Vor ihnen kniete ein Mann auf dem Boden und schraubte fluchend und schniefend an einer Fußleiste herum. Seine Hosen waren verdreckt und sein grauer Kittel hing nachlässig über dem Geländer. In seinem offenen Werkzeugkasten lag ein riesiger Schlüsselbund.
    »Morgen, Mr Shade!«, sagte Schwester Shelley frostig. »Wenn Sie fertig sind, gehen Sie bitte in den zweiten Stock. Die Toiletten sind mal wieder verstopft.«
    Für einen Moment hörte der Mann auf zu

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