Remes, Ilkka - 2 - Hochzeitsflug
Meinung nach ... gut aus?«, fragte Jacob, als er sich von Tina löste. »Ja.«
»Du willst mich nur ärgern.«
Tina zwang sich zu einem Lächeln. »Groß und breitschultrig. Ein Traum von einem Bräutigam.«
Jacob ließ den Wagen an. »Wenn du so etwas sagst, sehe ich mich geradezu gezwungen, dich mit zu mir zu nehmen.«
Christian ging unruhig durch den dunklen, warmen Garten, in den schwaches Licht aus den hohen Fenstern fiel. Wo blieb Tina nur? Er war eifersüchtig auf ihre Künstlerfreunde - zumal sie ihm nie vorgestellt worden waren.
Er hatte lange mit Brian telefoniert und sich mit ihm über die katastrophale Situation bei IC-Pharma ausgetauscht.
Jetzt würde alles von vorne beginnen. Eine neue Arbeit, vielleicht auch ein neues Land. Und eine Ehefrau.
Eine Ehefrau ... Christian spürte eine ganz neue Verantwortung. Eine angenehme Verantwortung, die ein wenig die Niedergeschlagenheit und die Wut linderte, die die Einstellung des Projekts hervorgerufen hatte. Die Vorstellung, eine Familie zu gründen, verwirrte ihn auf sanfte, warme Art. Sara und er hatten das Kinderkriegen unter verschiedenen Vorwänden immer wieder aufgeschoben, aber jetzt wusste Christian, dass er dazu bereit war. Tina war die Frau, mit der er sein Leben teilen wollte. Er ging ins Schlafzimmer und zog sein Hemd aus. Vor dem Spiegel betrachtete er sich mit ganz neuen Augen. Der gebräunte Brustkorb war vom Schwimmen straff, aber an den Bauchmuskeln könnte er arbeiten. Jetzt hätte er endlich Zeit, ins Fitnessstudio zu gehen. Er suggerierte sich positive Gedanken. Tina sollte ihm nichts anmerken, jedenfalls nicht vor der Hochzeit.
Er schaute auf das Brautkleid, das auf einem Bügel am Schrank hing. An der Wand daneben lehnte ein unfertiges Gemälde, das eine schwarze Sonnenblume zeigte und das Christian nicht mochte.
Er hörte ein Motorengeräusch vor dem Haus und eilte zur Tür. Tina kam ihm bereits entgegen.
»Endlich«, sagte Christian, ohne seinen Ärger ganz verbergen zu können. »Bist du mit dem Taxi gekommen? Ich hätte dich abholen können.«
»Yvette hat mich gebracht.« Seltsam zurückhaltend ging Tina an ihm vorbei ins Haus. »Gehen wir essen?«, fragte Christian.
»Nein, ich werde packen. Morgen muss ich früh los.«
»Ich auch. In der Firma geht es gerade drunter und drüber, ich muss zeitig da sein.« »Ich kann ein Taxi nehmen, mach dir keine Gedanken.«
»Nein, natürlich fahre ich dich zuerst zum Flughafen.«
»Wie kommt euer Projekt voran?«
»Reden wir nicht von der Arbeit.« Christian gab sich Mühe, munter zu klingen. Er würde sich am nächsten Morgen noch vor der Arbeit mit Brian in der Stadt treffen. Brian hatte gute Beziehungen zu seinem ehemaligen Arbeitgeber GenSoft, wo es auch für jemanden wie Christian Arbeit geben könnte. Aber bei dem auf Eis gelegten ANTIProjekt ging es für ihn nicht bloß um ein Projekt unter vielen anderen, dem er sich einige Jahre mit vollem Einsatz gewidmet hatte, sondern um wesentlich mehr.
4
Auf dem Flughafen Nizza blickte Tina auf den Monitor an ihrem Abfluggate: RG213 NICE-FRANKFURT. Dann sah sie wieder auf die Uhr; ihre Nervosität konnte sie nur mit Mühe verbergen.
Christian hatte sie vor dem Terminal abgesetzt, und es war ihr schwergefallen, ihre Emotionen unter Kontrolle zu halten. Der Flirt, zu dem sie vor Monaten gezwungen gewesen war, hatte zu Verliebtheit geführt und sich schließlich in Liebe verwandelt. Ob Jacob das bemerkt hatte?
Tina wusste, dass sie ein irrsinniges Risiko einging. Als junges Mädchen in Michigan hatte sie von Europa geträumt, vom Mittelmeer, vom lockeren Leben im Schatten von Olivenbäumen. Und jetzt, da es Wirklichkeit geworden war, offenbarte es sich als die Hölle und nicht als Paradies.
Der Wartebereich war überfüllt, denn er wurde mit den Reisenden von zwei weiteren Gates geteilt. Auf einem großen Fernsehschirm lief ein Asterix-Zeichentrickfilm. Die Kinder und ein paar Erwachsene schauten hin, weil sie nichts Besseres zu tun hatten. Tina lehnte sich ans Geländer und sah zu, wie die Maschine startklar gemacht wurde. Wäre Christian bei ihr gewesen, hätte er garantiert in der Arbeit der Mechaniker Anlass zur Besorgnis gesehen: weil sie die Reifen des Fahrwerks genauer als üblich in Augenschein nahmen und die Mechanismen der Tragflächen unendlich lang testeten.
Tina sah sich das in der Sonne glänzende Flugzeug genauer an. Auf dem silbernen Rumpf stand in riesigen Buchstaben »Regus Air«. Von Zeit zu Zeit warf sie einen
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