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Remes; Ilkka - 5 - Höllensturz

Remes; Ilkka - 5 - Höllensturz

Titel: Remes; Ilkka - 5 - Höllensturz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilkka Remes
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eingelassen.
    Im Schein der Lichter sah man das große Haus, das sie auf den Namen Riekonpesä – Schneehuhnnest – getauft hatten. Es war eine Villa und zugleich ein Ökohaus, das Anleihen des traditionellen finnischen, romantischen Blockhauses mit der klaren Linienführung moderner Architektur verband. Und es stand an einer Stelle oberhalb des Sees, von der man ungehindert in alle Richtungen blicken konnte. Ein Bekannter von Saara, ein Architekt aus Oulu, hatte es entworfen. Wo er mit seinen Visionen über das Ziel hinausgeschossen war, hatten Karri und Saara um Vereinfachung gebeten. So hätte zum Beispiel ein Wintergarten zu viel Energie verbraucht. Am Seeufer hatten sie sich aber zusätzlich ein Saunagebäude errichten lassen, mit Rasendach und einem Panoramafenster, das eine ganze Wand einnahm.
    Plötzlich blieb Karri stehen.
    Ihm war, als hätte sich im Wald etwas bewegt. Intuitiv spannte er die Muskeln an.
    Die Stille war vollkommen. Vielleicht war es ein Tier gewesen. Karri ging weiter. Jemand anders hätte die Stille womöglich als bedrohlich empfunden, aber für Karri war sie gleichbedeutend mit Sicherheit. Dieselbe Sicherheit hatte die Stille auch dem Elchkalb heute verheißen, als es am Waldrand stand. Sie hatten es erwischt, ohne es vorher treiben zu müssen, ohne dass sich in der Muskulatur des Tieres durch das Rennen Milchsäure gebildet hatte. Dann hätten sie Launo zufolge nämlich dunkles und geschmackloses »Stressfleisch« bekommen, auch »Teerfleisch« genannt, das nicht einmal durch Abhängen mürbe und durch keine Zubereitungsart wieder weich geworden wäre.
    Sie waren gerade einen Forstweg entlanggefahren, als sie das Kalb sahen. Elche hatten keine Angst vor Autos, weshalb Tomi gewartet hatte, bis Launo und Karri ausgestiegen waren. Dann war er langsam weitergefahren. Launo hatte Karri ermuntert zu schießen, aber wegen der Entfernung und der Dämmerung hatte Karri das Launo überlassen. Es war schwer zu glauben, aber der Alkoholiker hatte aus mehr als hundert Metern Entfernung mit einem Schuss das Herz des Tieres getroffen. Und das mit einem altertümlichen Baikal-Stutzen, der, was die Genauigkeit betraf, einer wesentlich miserableren Kategorie angehörte als Karris Lincoln mit Aluminiumrahmen. Diese Kombinationswaffe aus Flinte und Gewehr war für die Wilderei perfekt: Die Flinte eignete sich zur Hasenjagd, aber mit dem Gewehr konnte man auch einen Elch erlegen.
    Wieder kam Karri die tote Erja in den Sinn. Mit schnellen Schritten ging er die letzten Meter zum Haus.
    Vor der Tür erstarrte er auf der Stelle und schaute auf die Steinfliesen.
    Dort lag kein Schnee.
    Der Pfad war von einer dünnen Schneeschicht überzogen, aber die Fliesen nicht. Das fiel Karri auf, denn er hatte sich bereits darauf eingestellt, den Schnee mit dem Besen, der an der Wand lehnte, wegzufegen.
    Vielleicht hatten Wand und Vordach verhindert, dass Schnee vor die Haustür geweht worden war?
6
    Hände griffen nach Saaras Achseln und zerrten sie von der Wolldecke, die nach Erbrochenem roch. Ihre Augen waren so fest verbunden, dass sie in allen Regenbogenfarben aufflammende Muster sah.
    Trotz aller Angst war Saara erleichtert, dass die Autofahrt ein Ende hatte. Ihr Kopf schlug noch einmal schmerzhaft gegen den Pfosten der hinteren Wagentür, ihr entwich ein Stöhnen, das wegen der Nylonschnur in ihrem Mund zu einem animalischen Röcheln wurde.
    Eine Männerstimme neben ihr sagte etwas auf Arabisch.
    Der Griff um ihren Arm wurde noch fester und zwang sie zum Gehen, obwohl ihre zitternden Beine sie nicht einen Schritt tragen wollten.
    Wenn zwei, die im selben Haus wohnen, sich miteinander versöhnen, können sie zum Berg sagen: »Begib dich an einen anderen Ort«, und er wird sich an einen anderen Ort begeben …
    Saara spürte den Sand unter den Sohlen. Aus der festen Erde schöpfte sie etwas Kraft, obwohl sie so sehr schwitzte, dass sie Angst hatte, vor Flüssigkeitsmangel zusammenzubrechen, erst recht nachdem sie sich erbrochen hatte.
    Sie wurde zwanzig, dreißig Meter weit geführt, dann hob man sie über eine Schwelle, wonach die Füße auf hartem Boden aufsetzten. Als Nächstes schleifte man sie eine steile Treppe hinunter. Die Geräusche der Schritte hallten immer stärker, und die Luft wurde kühler. Dann endete die Treppe, und der Mann, der Saara führte, blieb stehen.
    Saara spürte, wie ihr an dem Nylonseil vorbei etwas Hartes, Rundes, Metallisches in den Mund geschoben wurde.
    Der Lauf einer Waffe.
    Karri

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