Remes; Ilkka - 5 - Höllensturz
Kohonen, Tomi Stenlund und Karri Vuorio würden vor Gericht landen – auf sie warteten Bußgelder wegen Wilderei.
Johanna hatte auch Karri zu schätzen gelernt. Er hatte unwahrscheinlich tapfer gehandelt, um seine Frau zu retten. Es war schade, dass für Saara in der Wissenschaft der Zweck die Mittel heiligte … Auch wenn zwischen ihr und Rafiq kein Verhältnis im eigentlichen Sinn bestanden hatte.
Dennoch hatte Johanna sogar Verständnis für Saara. Es gab sehr wenige Dinge, die für eine Bibelforscherin größere Bedeutung haben konnten, als die Begegnung mit authentischen Worten Jesu.
Der Wagen fuhr an der Abzweigung zum Teufelsberg vorbei. Eine dicke Schneedecke hüllte den Hügel ein. Kekkonen fuhr schweigend, als spürte er, in welch heikler Verfassung Johanna sich befand.
Vor allem Rafiqs Schicksal machte ihr zu schaffen. Vor Gericht würde das, was er getan hatte, auf juristischer Ebene behandelt werden, aber ihre Erfahrungen in Pudasjärvi ließen Johanna das Ganze auch aus der Perspektive der Gerechtigkeit, des Vergebens und der Gnade bedenken. Dennoch hätte sie nicht entscheiden können, welche Konsequenzen Rafiqs Taten haben sollten.
Für immer würde Johanna der Gesichtsausdruck Saaras in Erinnerung bleiben, als sie die nassen Stücke der Schriftrolle im Schnee einsammelte. Es war ein schwer erträglicher Gedanke, dass ein Text, der zweitausend Jahre Bestand gehabt hatte, innerhalb von wenigen Sekunden für immer zerstört war.
Aber zum Glück, hatte Saara im Schneehuhnnest zu Johanna gesagt, waren die Übersetzungen des Thomasevangeliums weiterhin für alle zugänglich, die sich dafür interessierten. Und am wichtigsten war, dass die Kernbotschaft des Textes, die Nächstenliebe, sich seit Jesu Zeiten trotz aller Wirrnisse als zentrale Lehre des Christentums erhalten hatte.
Johanna kniff die Augen vor dem Gleißen der Sonne im Schnee zusammen und war guten Mutes. Zum ersten Mal begriff sie, wie wesentlich befriedigender das Leben sein konnte, wenn man diese Lehre auch im eigenen, alltäglichen Leben wirklich befolgte – insbesondere dann, wenn möglichst viele andere es ebenso hielten.
Ein Lächeln ging über Johannas Lippen. Wurde sie allmählich alt? Oder woher kam es, dass sich ihr Zynismus in Luft aufzulösen schien?
NACHWORT
Dieser Roman spielt teilweise an einem Ort namens Pudasjärvi. Aber wer das reale Pudasjärvi im nördlichen Teil Finnlands kennt, wird merken, dass die Ortschaft, wie sie im Buch erscheint, abgesehen vom Namen, ein Produkt der Fantasie ist.
In der Geschichte, die ich in diesem Buch erzähle, knüpfe ich an ein Thema an, das ich bereits im vorhergegangenen Roman ›Das Hiroshima-Tor‹ gestreift habe: Es ist jederzeit möglich, dass erstaunliche Funde gemacht werden, die über die Geschichte der Menschheit Aufschluss geben.
In den vierziger Jahren des 20. Jahrhunderts ist dies zweimal innerhalb kürzester Zeit der Fall gewesen, als die Schriftrollen von Nag Hammadi und die Schriftrollen vom Toten Meer (bzw. von Qumran) entdeckt wurden.
Der bedeutendste Teil des Fundes von Nag Hammadi war eine koptische Version des Thomasevangeliums. Ausschnitte daraus werden in diesem Roman zitiert.
Viele der anderen Texte, die in Nag Hammadi gefunden wurden, spiegeln so genanntes gnostisches Denken wider. Die Tatsache, dass eine koptische Version des Thomasevangeliums unter solchen Schriften gefunden worden ist, macht das Thomasevangelium aber noch nicht zu einem gnostischen Text.
Eine aramäische Version des Thomasevangeliums ist nicht bekannt. In den Papyrus-Texten von Oxyrhynchos aber finden sich Fragmente einer griechischen Übersetzung.
Um die Bedeutung des Thomasevangeliums einschätzen zu können, wäre es entscheidend, zu erfahren, wann es niedergeschrieben wurde. Einige Wissenschaftler sind der Ansicht, es sei auf der Basis der vier Evangelien des Neuen Testaments entstanden, andere wiederum halten es für älter. Die Datierung ist also umstritten. Was aber würde es bedeuten, wenn die letztgenannte These stimmt? Diese Überlegung ist einer der Ausgangspunkte für die Geschichte, die ich in diesem Roman erzähle.
Der zweite Ausgangspunkt bezieht sich auf den Zusammenhang zwischen den Schriftrollen vom Toten Meer und den Ruinen von Qumran.
Die renommierten israelischen Archäologen Itzhak Magen und Yuval Peleg haben die gleich 1947 formulierte und später etablierte Ansicht von Roland de Vaux in Frage gestellt, derzufolge die ehemaligen Bewohner von Qumran die
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