Remes; Ilkka - 5 - Höllensturz
Kontrolle – so wie er immer alles unter Kontrolle haben wollte.
Tomi sah Karri durch den Spiegel an und tippte sich an die Wange.
»Was ist?«, wollte Karri wissen.
»Putz dir mal das Gesicht ab!«
Karri wischte sich über die Wange. Dort war etwas Klebriges. Er zog ein Papiertaschentuch heraus, spuckte hinein und rieb sich das Blut ab.
Sie kamen aus dem Wald heraus und bogen auf die unbefestigte Straße ab, die zwischen brachliegenden Feldern zum Akka-Moor führte. Nach einer kurzen Strecke bogen sie erneut ab, diesmal auf einen schmalen Feldweg, an dessen Ende eine verfallene Scheune hinter einem Wäldchen versteckt war. Seit Jahr und Tag wurde darin Heu aufbewahrt, aber als Schlachtbank war sie ebenfalls gut geeignet.
Die Männer zerrten den Tierkörper zum Enthäuten auf das Holzgerüst, das sie auch bei der offiziellen Elchjagd mit der ganzen Jagdgemeinschaft benutzten. Aufmerksam verfolgte Karri, wie Launo mit sicherer Hand die Einschnitte über den Hufen setzte und das Tier enthäutete. Die Glatze, die Launos runden Kopf zierte, glänzte im Licht der zwei Maglite-Lam pen, die auf dem Boden lagen. Nachdem die Haut abgezogen war, trennte Launo den Kopf vom Rumpf und schnitt die Lendenfilets von Darmbein und Roastbeef herunter.
»Verdammt …«, stieß er heiser aus und spuckte auf den Boden. Seine braunen Zahnstummel hoben sich krass vom kreidebleichen Gesicht ab.
»Hast du Schmerzen in der Brust?«, fragte Karri besorgt.
Launo hielt ihm mit seinen nikotingelben Fingern das Filet vor die Nase und flüsterte mit glänzenden Augen: »Wenn man das kurz in die gusseiserne Pfanne legt und einen Schuss Madeira dazugibt, dann hat auch der feine Herr aus dem Süden keinen Grund, sich zu beschweren. Verdammt. Und ein bisschen Rosmarin drüber.«
Karri fühlte sich unangenehm berührt. Meinte Launo ihn? Trotzdem musste er grinsen. Wie konnte ein langzeitarbeitsloser Alkoholiker so ein gnadenloser kulinarischer Snob sein?
Fein säuberlich schichtete Launo die Vorderkeulen, das Brustfleisch, die Rückenfilets, die Hinterkeulen und die Haxen aufeinander. Das noch warme, rote Fleisch schimmerte verheißungsvoll. Aber Karri war nicht wegen des Fleisches hier, und erst recht nicht wegen des Geldes. Er wollte Erfahrungen sammeln, er suchte nach der Herausforderung. Nach etwas, das den ständigen Adrenalinausstoß kompensierte, an den er sich an der Spitze seiner Firma gewöhnt hatte.
Plötzlich setzte sich Launo auf den Boden und lehnte sich an die Wand. Aus seinem Gesicht war noch die letzte Farbe gewichen.
»Was ist los?«, fragte Karri sofort.
»Schon gut.« Launo schloss kurz die Augen, dann öffnete er sie wieder und stand schwerfällig auf. »Ich geh ein bisschen Luft schnappen.«
Karri hielt die Scheunentür auf, und Launo trat an ihm vorbei ins Freie. Der Zustand und das Verhalten des Mannes beunruhigten Karri.
Fast auf der Stelle flog die Tür erneut auf.
Launo stand mit glasigem Blick und heftig atmend davor. »Kommt her!«, befahl er mit weißen Lippen.
Karri warf einen Blick auf Tomi, dessen Augen sich verengten. Waren sie überrascht worden?
Launo ging vor Karri zu dem Holzstapel, der an der Scheunenwand aufgeschichtet war. Große, schwere Schneeflocken segelten vom dunklen Himmel in den Lichtkegel der Taschenlampe. Auf dem Stapel lagen ein Meter lange, schon halb vermoderte Birkenscheite. Auf den untersten wuchsen Pilze. Der Stapel reichte bis zur Ecke der Scheune. Und dort deutete Launo mit zitterndem Finger hin.
Hinter den Holzscheiten blitzte ein Schuh auf.
Karri kniff die Augen zusammen. Launo spuckte zwanghaft aus.
Tomi zerrte ein Stück Holz zur Seite.
Unter den Birkenscheiten lag die Leiche. Man hatte der Frau in den Kopf geschossen, und es sah aus, als wäre sie erst wenige Stunden zuvor hier versteckt worden. Tomi musste an einem Baum Halt suchen.
Karri schloss die Augen. Es drehte ihm den Magen um.
Er kannte die Frau. Sie hieß Erja Yli-Honkila.
2
Von unten strahlte der Sand Wärme aus und von oben der Himmel, obwohl die Sonne schon fast bis zum Horizont gesunken war.
Saara hatte einen trockenen Mund, aber sie wollten nicht stehen bleiben, um etwas zu trinken, darin waren sie sich einig: der vor ihr gehende Luuk, Keith, der auf Malta geborene, bewaffnete Söldner, der sich wie viele seiner Kollegen seine Brötchen als Sicherheitsmann im Irak verdiente und hinter ihnen herging, und Saara selbst.
Sie beschleunigte ihren Schritt, ungeachtet des drückenden Rucksacks und der
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