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Rendezvous im Hyde Park

Rendezvous im Hyde Park

Titel: Rendezvous im Hyde Park Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Quinn
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einen derartigen Tadel rechtfertigen. Und sie war in der Pause gegangen, genau wie Louisa es von ihr gefordert hatte.
    „Sie sind ja ein freches Stück", sagte Lady Challis, „den Onkel so gegen den Neffen auszuspielen."
    „I...ich weiß nicht, was Sie meinen", stammelte Annabel.
    Aber natürlich wusste sie es.
    „Hören Sie sofort auf damit", fuhr Lady Westfield sie an.
    „Sie sind eine Vickers, trotz dieses schrecklichen Mannes, den Ihre Mutter geheiratet hat, und Sie sind viel zu klug, um sich mit derartig ungeschickter Heuchelei aus der Affäre mogeln zu wollen."
    Annabel schluckte.
    „Lord Newbury ist außer sich", zischte Lady Westfield.
    „Außer sich. Und ich muss sagen, ich kann ihm daraus keinen Vorwurf machen."
    „Ich habe ihm nichts versprochen", sagte Annabel und wünschte, ihre Stimme klänge ein wenig fester. „Und ich wusste nicht..."
    „Haben Sie eine Ahnung, was für eine Ehre er Ihnen erwies, nur indem er Ihnen seine Zuneigung schenkte?"
    Annabels Mund öffnete und schloss sich. Immer wieder. Sie kam sich vor wie ein Dummkopf. Ein dummer, stummer Stockfisch. Bei sich zu Hause hätte sie sich verteidigt, hätte Antwort um Antwort parat gehabt. Aber zu Hause hatte sie sich auch nie zwei wütenden Countesses gegenüber gesehen, die sie eisig von oben herab anstarrten.
    Am liebsten hätte sie sich hingesetzt, doch in Gegenwart zweier stehender Countesses war das natürlich nicht erlaubt.

    „Natürlich", hub Lady Challis an, „ergriff er Maßnahmen, um seinen Ruf zu schützen."
    „Lord Newbury?", fragte Annabel.
    „Natürlich spreche ich von Lord Newbury. Dem anderen ist sein Ruf ja völlig einerlei, war es schon immer."
    Aber irgendwie glaubte Annabel nicht, dass das wirklich stimmte. Mr Grey mochte ein stadtbekannter Filou sein, aber das war nicht alles. Er hatte Ehrgefühl, und sie war sich sicher, dass er großen Wert darauf legte.
    Vielleicht bildete sie sich das auch nur ein, vielleicht verklärte sie ihn. Wie gut kannte sie ihn denn?
    Überhaupt nicht. Sie hatte ihn vor zwei Tagen erst kennengelernt. Vor zwei Tagen? Sie musste wieder zur Vernunft kommen. Jetzt gleich.
    „Was hat Lord Newbury denn getan?", fragte Annabel misstrauisch.
    „Er hat seine Ehre verteidigt, wie man es von ihm erwartet hätte", formulierte Lady Westfield ihre, wie Annabel befand, unbefriedigend vage Erklärung. „Wo ist Ihre Großmutter?", wiederholte sie und sah sich scharf im Zimmer um, als rechnete sie damit, sie unter einem Stuhl zu entdecken. „Jemand sollte sie aufwecken. Die Angelegenheit ist keine Bagatelle."
    In dem Monat, den sie nun schon in London lebte, hatte Annabel ihre Großmutter genau zwei Mal vor Mittag gesehen. Beide Gelegenheiten waren nicht gut ausgegangen.
    „Wir versuchen, sie nur im Notfall zu wecken", sagte sie.
    „Was zum Teufel glauben Sie wohl, was das ist, Sie undankbares Ding?", fuhr Lady Westfield sie an.
    Annabel zuckte zurück, als hätte sie sie geschlagen, und sie spürte, wie sich Worte in ihr formten: Ja, natürlich, Mylady. Sofort, Mylady. Dann sah sie noch einmal auf, sah Lady Westfield dabei direkt in die Augen, und sie entdeckte dabei etwas so Hässliches, so Gemeines, dass es sie förmlich elektrisierte.
    „Ich werde meine Großmutter nicht wecken", erklärte sie entschieden. „Und ich hoffe, Sie haben sie nicht durch Ihr Geschrei geweckt."
    Lady Westfield richtete sich zu ihrer vollen Größe auf.
    „Überlegen Sie, wie Sie mit mir reden, Miss Winslow."

    „Ich lasse es keineswegs an Respekt vermissen, Mylady.
    Ganz im Gegenteil, glauben Sie mir. Meine Großmutter ist vor Mittag nicht sie selbst, und Sie als ihre Freundin würden doch bestimmt nicht wollen, dass ihr unbehaglich ist."
    Die Countess machte schmale Augen und sah ihre Freundin Anne an, die offenbar ebenfalls nicht recht wusste, wie sie sich zu Annabels Aussage äußern sollte.
    „Sagen Sie ihr, dass wir hier waren", erklärte Lady Westfield schließlich barsch.
    „Das werde ich", versprach Annabel und knickste - tief genug, um ehrerbietig zu sein, aber nicht so tief, dass es unterwürfig gewirkt hätte.
    Wann hatte sie die Feinheiten der Knickskunst gelernt?
    Anscheinend hatte sie sich in London mehr exklusives Wissen angeeignet, als ihr bewusst gewesen war.
    Die beiden Damen stolzierten hinaus, doch Annabel hatte kaum Zeit, sich aufs Sofa plumpsen zu lassen, ehe der Butler neuen Besuch ankündigte: Lady Twombley und Mr Grimston. Annabel wurde ganz schlecht vor Sorge. Sie war den beiden

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