Rendezvous Mit Dem Universum
Es hüllt die ganze Erde als sphärischen Weltenkörper ein und umgibt auch jeden Gegenstand mit einer dünnen Hülle. Als Tropfen fallend, schwingt das Wasser um die Form der Kugel, oder als Tau in einer klaren Sternennacht abgeschieden, verwandelt es ein unscheinbares Wiesenstück in einen Sternenhimmel funkelnder Wassersphären.« Lesen Sie das Buch und Sie werden verstehen, dass die besseren Wissenschaftler immer Poeten sein müssen.
Falls Sie nicht glauben mögen, dass Wasser eine Manifestation des Lebens ist, dann sollten Sie einmal einen Eimer Wasser in der Wüste ausschütten. Genauso gut könnten Sie versuchen, ein paar Tage lang nichts zu trinken. Alles, was wir wissenschaftlich
als lebendig anerkennen, besteht zum größten Teil aus Wasser. Sie selbst zum Beispiel zu 70 Prozent, etwas mehr, wenn Sie sehr jung sind, und etwas weniger, wenn Sie sehr alt sein sollten. Eine Qualle bringt es auf stolze 99 Prozent, und selbst ein alter, knorriger Eichbaum ist nicht viel trockener als wir.
Und das Wasser sucht die Kugelform. Die Kugel ist der Kreis in drei Dimensionen. Jeder Querschnitt einer Kugel ist ein Kreis. Und wo das Wasser keine Kugel bilden kann, versucht es, einen Kreis zu schließen. Der Fluss, so man ihn lässt, sucht seinen Lauf sich in Mäandern. Das ist der Kompromiss aus Kreisen und bergab. Heutzutage allerdings lässt man den Fluss nur noch selten seinen freien Lauf sich suchen. Normalerweise wird er kanalisiert oder begradigt, weil unsere Kultur die Gerade vergöttert. Dabei ist diese des Teufels, und alles Leben ist in Kreisen.
Natürlich sind die Flüsse nicht das Einzige, was kanalisiert wird. Angestrebt ist auch der »gerade Mensch«, und die Erziehung ist eine andere Art von Kanalisierung. Den Raum können wir noch nicht begradigen - zum Glück. Aber wir können ihn gradlinig betrachten. Die Idee vom Urknall ist zum Beispiel das Resultat einer total geradlinigen Betrachtungsweise. Gut, das Weltall dehnt sich aus. Aber deshalb zu denken, dass es sich 15 Milliarden
Jahre lang absolut gleichmäßig ausgedehnt hat, ist eigentlich erschreckend blöd. Es ist schon blöd genug, sich 15 Milliarden Jahre als eine endlos lange Gerade mit zahllosen kleinen Sekundenstrichlein vorzustellen.Auch die Zeit fließt in Mäandern. Und selbst Gedanken haben mehr Kraft, wenn man sie kreisen lässt, statt nur geradeaus zu denken. Ebenso sieht man mehr, wenn man rundum blickt, als wenn man auf einen Punkt starrt. Alles Leben ist in Kreisen. Aber wenn wir uns nur einen Kreis vorstellen, ist das immer noch zu gradlinig, zu einfach. Vorstellen muss man sich eine beachtliche Zahl kleiner und großer Kreise, die sich alle überschneiden. Ein locker gewickeltes Wollknäuel ist vielleicht ein brauchbares Bild. Und auch das Reiskorn, das auf seinem Kreise durch uns durchgeht, ist selbst Resultat einer Vielzahl verflochtener kybernetischer Kreise. Wenn Ihnen das sehr kompliziert erscheint, versuchen Sie doch mal, sich die scheinbar simple Bahn des Mondes wirklich vorzustellen; er kreist um die Erde, die um die Sonne kreist, die in der Galaxis kreist, die im Raum kreist. Wahrscheinlich kreist sogar der Raum, ohne dass wir die geringste Ahnung haben, um was er kreisen könnte. Dabei kreisen wir mit, ob wir wollen oder nicht.
Und wenn es so ist, dann sollten wir es einsehen.
7
Über Grenzen
Betrachten wir das kleine Reiskorn, das wir gerade schon mal angeknabbert haben, einmal genauer, und vor allem das kurze Stück seiner Bahn, das durch uns hindurchgeht. Da liegt es also vor uns - schneeweiß und weichgekocht.Ähnlich wie wir selbst ist es das Ergebnis eines unerforschten Entschlusses, aus einem Keim, viel Wasser und einer Menge Mineralstoffe etwas anderes entstehen zu lassen als die Summe aus Keim,Wasser und Mineralien. In diesem Falle eine Pflanze, deren wichtigstes Anliegen das Hervorbringen neuer Keime ist. Einen davon stecken wir uns gerade samt seiner nahrhaften Verpackung in den Mund. Die Zähne brauchen wir kaum für das weichgekochte Bisschen, und mit Zunge und Speichel haben wir es leicht zu einem Brei verarbeitet, der nun in die Speiseröhre wandert. Aber schon im Mundraum sind kleine Partikelchen des Reiskorns zu uns übergesprungen, um uns einiges über Geschmack und Nahrhaftigkeit der zu uns genommenen Nahrung mitzuteilen.Wenn der Rest im Magen ankommt, existiert das Reiskorn als solches nicht
mehr. In seine Einzelteile zerlegt, ist es nicht mehr wiederzuerkennen. Und ein großer Teil dieser
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