Rendezvous Mit Dem Universum
Einzelteile wird flugs in unseren Körper eingebaut, um in einer Muskelzelle oder einem Nervenstrang im Gehirn zu funktionieren. Was übrigbleibt, wandert langsam darmabwärts, um dann durch eine der dafür vorgesehenen Öffnungen ausgeschieden zu werden. Andere kleine Lebewesen stürzen sich darauf, um es durch ihren Körper weiterwandern zu lassen, und nach wenigen Durchläufen haben wir den schönsten Mutterboden, aus dem dann im besten Falle wieder eine Reispflanze hervorsprießt.
Es ist klar, dass das Korn irgendwann ein Korn ist, irgendwann ein Teil unseres Körpers und irgendwann ein Schiss im Gebüsch.Aber wer kann jetzt sagen, wo der Schiss anfängt und wo der Mensch aufhört? Ist das braune Zeugs im Enddarm noch Mensch oder ist es schon Umwelt? Wo ist die Grenze? Beim Austritt, im freien Fall, beim Aufklatschen, wenn die menschliche Wärme verdampft ist oder erst, wenn der erste Wurm sich seinen Teil einverleibt hat? Die Antwort führt die Frage ad absurdum. Es gibt keine Grenzen! Die Natur ist grenzenlos. Es gibt fließende Übergänge, und es gibt Grenzbereiche in ständiger Bewegung. Feste und starre Grenzen sind genauso unnatürlich wie die Gerade.
Natürlich ist das Meer das Meer und der Himmel der Himmel, aber niemand kann einen festen Punkt bestimmen, wo das eine aufhört und das andere anfängt. Wo gerade noch Luft war, kann jetzt schon Wasser sein und umgekehrt. Je genauer wir uns die Übergangszone anschauen, desto klarer werden wir erkennen, dass es einen Bereich gibt, den sich Meer und Himmel streitig machen. Richtiger muss man sagen, dass sie ihn sich teilen.Was wir im Allgemeinen als Grenze ansehen, weil wir vor allem nach der Trennung suchen, kann man ebenso gut als den Bereich der Verbindung betrachten. Was wir Wasseroberfläche nennen, ist in Wirklichkeit die Schweißnaht zwischen Meer und Himmel. Nirgends sind sie mehr vereint, nirgends inniger Eines.
Was wir normalerweise Lunge nennen, ist genauso gut ein Teil der Atmosphäre, und diejenigen, die sie seinerzeit so genannt haben, haben noch gewusst, dass sie bis in uns hineinreicht. Wenn es aber in uns hineinreicht und wir in es hinaus, warum können wir es dann nicht als Teil von uns erkennen? Warum fahren wir fort, es als andersartig zu sehen, als etwas, was es allenfalls zu »erobern« gilt?
Nur der Unwissende sieht als Vielheit, was in Wirklichkeit ein Einziges ist. Das hat natürlich ein Indianer gesagt, und selbstverständlich hat er recht.
Es bringt uns nicht weit, Dinge, die untrennbar miteinander verbunden sind, getrennt zu betrachten. Nichts wird man vom Wesen des Schmetterlings begreifen, ohne die Luft um ihn herum mitzubetrachten. Und wenn man umgekehrt etwas über die Luft wissen möchte, ist es hilfreich, den Schmetterling zu beobachten. Genauso verhält es sich mit Mensch und Raum.Verstehen kann man beide nur, wenn man sie zusammen betrachtet. Es ist mehr: Sie gehören zusammen. Gäbe es eine Grenze zwischen uns und dem Raum, könnten wir nicht existieren.
Ein Grundstein unseres eigenen Lebens ist schon mal die Wärme der Sonne, und wir sollten froh sein, dass uns nichts von ihr trennt. Ein Teil der Sonne ist in uns, und so sind wir ein kleiner Teil der Sonne, ein Ausläufer, ein winziges Fingerchen. Und auch der Mond reicht bis in uns hinein, was die Frauen drastischer begreifen als die Männer. Angeblich balancieren wir auch mit Venus und Mars und Jupiter und Saturn und den anderen Planeten. Das behaupten auf jeden Fall die Astrologen. Und die Astrophysiker müssen ihnen recht geben. Der Einflussbereich eines Himmelskörpers hat keine Grenzen, so dass jeder jeden beeinflusst. Und Himmelskörper sind auch wir - auf jeden Fall. (Falls Sie mittlerweile vergessen haben sollten, dass Sie in Wirklichkeit mit
hoher Geschwindigkeit durch den Kosmos sausen, dann sollten Sie auf Seite 31 zurückblättern und von da aus weiterlesen.)
Nach allen Seiten offen und mit allem verbunden, das ist unsere Situation im Raum. Auch die Woge der Gammastrahlen von Hiroshima saust nach allen Richtungen immer weiter ins All. »Der Schrei einer abgerissenen Blume wird bis in den entferntesten Winkel des Weltalls gehört« - hat das ein Inder gesagt, ein Indianer oder Goethe? Es gibt also keine Grenzen, es gibt nur Verbindungen. Grenzen sind eine Erfindung imperialistischer Machthaber, eine Fiktion. Wir sind genau besehen ein gutes Stück Erde, wozu reichlich Wasser und etwas verborgenes Feuer gehören; dazu gut Sonne und eine letztlich nicht
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