Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rendezvous mit Übermorgen

Rendezvous mit Übermorgen

Titel: Rendezvous mit Übermorgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke
Vom Netzwerk:
das Manna einteilen, bis sie irgendwie diese Fluggeschöpfe zur Hilfe bewegen konnte.
    Nicole schätzte ihre »Manna-Melone« sorgfältig ab. Ursprünglich hatte sie wohl fast zehn Kilo gewogen, jetzt waren es nur noch knapp über acht. Sie schätzte, dass der äußere, ungenießbare Mantel etwa zwei Kilogramm ausmachte, womit sie über sechs Kilogramm »Treibstoff« verfügte, grob gleichmäßig gesplittet zwischen der Flüssigkeit und dem - königsblauen Fruchtfleisch. Also, rechnen wir mal... drei Kilogramm einer Flüssigkeit sind...
    Das wiederkommende Licht unterbrach Nicoles komplizierte Denkprozesse. Na klar, sagte sie und schaute auf ihrer Uhr nach, exakt auf den Punkt, gleiche Säkularbeschleunigung. Als sie den Blick hob, sah sie ihr eiförmiges »Manna«-Objekt zum ersten Mal in vollem Licht. Sie erkannte es sofort wieder. O Gott, dachte sie, als sie mit den Fingerspitzen die braunen Linien entlangfuhr, die sich über die sahnig-weiße Oberfläche krümmten. Das habe ich ja fast vergessen gehabt. Sie griff in die Tasche ihres Flugdresses und holte den glattpolierten Stein hervor, den ihr der Stammespriester Omeh an jenem Silvesterabend in Rom gegeben hatte. Sie starrte darauf, und dann starrte sie auf das eiförmige Objekt vor ihr in der Grube. O Gott, mein Gott , dachte sie noch einmal.
    Sie steckte den Stein in die Tasche zurück und zog den kleinen grünen Flakon heraus. Wieder hörte sie die Stimme ihres Urgroßvaters: Ronata wird wissen, wann sie das trinken muss . Sie setzte sich in ihre Grubenecke und leerte das Fläschchen auf einen Zug.

39 Wasser der Weisheit
    Nicoles Sehvermögen wurde sogleich trübe, und sie schloss für eine Weile die Augen. Als sie sie wieder aufschlug, blendete sie ein Wirbel leuchtender Farben, die an ihr in geometrischen Mustern vorbeizogen, als bewegte sie selbst sich sehr rasch. Im Zentrum, sehr weit entfernt, tauchte aus flirrenden alternierenden roten und gelben Formen ein schwarzer Punkt auf, der immer größer wurde. Nicole konzentrierte sich auf ihn. Er schoss auf sie zu und füllte ihr ganzes Gesichtsfeld aus. Sie sah einen Mann, einen alten schwarzhäutigen Mann in einer makellosen afrikanischen Sternennacht über die Savanne laufen. Sie sah deutlich sein Gesicht, als er einen felsigen Berg zu ersteigen begann. Er sah aus wie Omeh, aber - ein wenig verwirrend auch wie ihre Mutter. Mit verblüffender Gewandtheit rannte er den Berghang hinauf. Oben stand er dann als Silhouette mit ausgebreiteten Armen und blickte starr in den Himmel zum Sichelmond am Horizont. Nicole hörte den Zündungsknall eines Raketentriebwerks und wandte sich nach links. Sie sah ein kleines Raumfahrzeug auf die Mondoberfläche niedersinken. Zwei Männer in Raumanzügen kamen über eine Leiter herab. Sie hörte Neil Armstrong sagen: »... ein kleiner Schritt für einen Mann, aber ein gewaltiger Sprung für die Menschheit.«
    Buzz Aldrin trat neben Armstrong auf den Mondboden, und beide deuteten nach rechts. Sie starrten den alten Schwarzen an, der auf dem Kamm einer steilen Gesteinshalde in der Nähe stand. Er lächelte. Seine Zähne leuchteten sehr weiß.
    Als die Mondlandschaft hinter ihm zu verblassen begann, rückte das Gesicht des Alten Nicole immer näher. Langsam begann er zu singen, in der alten Stammessprache Senoufo, doch zunächst konnte Nicole ihn nicht verstehen. Dann, plötzlich, begriff sie, dass er zu ihr sprach und dass sie jedes Wort verstand. »Als Knabe zog ich, als die Menschen auf dem Mond landeten, in der Nacht hinaus, um zu meditieren. Weil mich dürstete, trank ich tief aus dem See der Weisheit. Zuerst flog ich zum Mond und sprach dort mit den Astronauten. Dann flog ich weiter zu den anderen Welten. Ich begegnete den Großen Gewaltigen. Sie sagten mir, dass du kommen würdest, um die Geschichte Minowes zu den Sternen zu tragen.«
    Dann begann der Kopf des alten Mannes zu schwellen. Seine Zähne wurden lang, scharf und gefährlich, die Augen gelb. Er verwandelte sich in einen Tiger und sprang ihr an die Kehle. Als sie die Zähne am Hals spürte, schrie Nicole laut. Sie machte sich zum Sterben bereit. Aber der Tiger erschlaffte; ein Pfeil steckte tief in seiner Seite. Nicole hörte ein Geräusch und blickte auf. In einem wundervollen wehenden roten Gewand, einen goldenen Bogen in der Hand, lief ihre Mutter geschmeidig auf einen goldschimmernden Kampfwagen zu, der mitten in der Luft hielt. »Mutter ... warte!«, schrie Nicole.
    Die Gestalt wandte sich zu ihr um. »Du

Weitere Kostenlose Bücher