Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rendezvous mit Übermorgen

Rendezvous mit Übermorgen

Titel: Rendezvous mit Übermorgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke
Vom Netzwerk:
Flugwesen war mit einem Gefährten zurückgekommen, und der zweite war bei weitem noch größer. Der zweite Vogel schwebte über der Grube, reckte den Hals nach unten und stierte Nicole mit seinen blauen Augen an. Dann gab er einen Laut von sich, lauter und weniger musikalisch als der andere, und dann krümmte er den Hals nach hinten, wie um seinen Gefährten anzusehen. Während die beiden Flugwesen miteinander konferierten, fand Nicole Zeit festzustellen, dass der Neuankömmling einen irgendwie glatt gebohnerten Körperüberzug hatte, wie Linoleum, aber ansonsten, von der Größe abgesehen, in allen Einzelheiten dem ersten Gast genau entsprach. Schließlich erhob sich der Vogel, und dann landete das bizarre Paar immer noch eifrig schwatzend am Rand der Grube. Ein paar Minuten lang betrachteten sie Nicole gelassen. Dann - nach erneutem knappen Gedankenaustausch - machten sie sich davon.
    Der Kampf gegen ihre Furcht hatte Nicole erschöpft. Minuten nach dem Abflug der Besucher lag sie zusammengerollt in einer Ecke und schlief. Sie schlief mehrere Stunden lang fest. Geweckt wurde sie von einem lauten Geräusch, einem Knall, der wie ein Schuss in der Scheune widerhallte. Sie war sofort wach, hörte aber keine weiteren Geräusche. Ihr Körper erinnerte sie daran, dass sie hungrig und durstig war. Sie holte die Reste ihres Proviants hervor. Sollte ich daraus vielleicht zwei Minimahlzeiten machen , fragte sie sich müde, oder alles gleich aufessen und eben hinnehmen, was kommt ?
    Seufzend entschloss sie sich, den Rest Nahrung und Wasser auf einmal zu sich zu nehmen. Sie überlegte, dass beides zusammen ihr ausreichend Kraft zuführen würde, damit sie für eine Weile nicht mehr an Essen denken musste. Darin irrte sie sich. Während sie den letzten Tropfen aus dem Wasserbeutel trank, hagelten die Bilder der Flaschen voll Quellwasser auf ihre Gedanken ein, die daheim in Beauvois stets auf dem Tisch gestanden hatten.
    Dann gab es in der Ferne einen weiteren lauten Knall. Sie horchte angestrengt, aber es war danach alles wieder still. Ihr Kopf schwirrte von Fluchtgedanken, und bei allen benutzte sie irgendwie diese geflügelten Geschöpfe, um aus ihrer Fallgrube herauszukommen. Sie war wütend auf sich, dass sie nicht versucht hatte, mit ihnen irgendwie zu kommunizieren, als sie die
    Chance hatte. Und dann lachte sie. Aber natürlich hätten die ja auch beschließen können, mich zu verspeisen! Allerdings - wer könnte schon mit Bestimmtheit behaupten, dass Verhungern dem Gefressenwerden vorzuziehen ist ?
    Sie war sicher, dass die geflügelten Geschöpfe wiederkommen würden. Vielleicht wurde sie in dieser Gewissheit durch ihre hoffnungslose Lage bestärkt, doch begann sie trotzdem zu planen, was sie tun wollte, wenn sie zurückkehrten. Halb, ihr da!, malte sie sich als Begrüßung aus. Sie würde die geöffnete Hand ausstrecken und furchtlos in die Mitte der Grube treten, direkt unterhalb des schwebenden Pteridengeschöpfs. Sodann würde sie durch eine Reihe spezieller Gesten ihre Notlage mitteilen - sie wollte wiederholt auf sich selbst und auf die Grube deuten und dadurch ausdrücken, dass sie nicht ohne Hilfe entrinnen könne; Wedelbewegungen zu den Flugwesen und dem Scheunendach hinauf sollten die Bitte um Hilfe darstellen.
    Zwei scharfe, laute Geräusche holten sie in die Wirklichkeit zurück. Nach kurzer Pause hörte sie noch einen Knall. Sie suchte im Kapitel »Umwelt« ihres computerisierten Atlas ofRama und musste dann übersieh lachen, weil sie nicht sofort erkannt hatte, was davor sich ging. Die lauten Knallgeräusche kamen natürlich vom Eisbruch der Zylindrischen See, die vom Grund herauf auftaute. Rama flog immer noch innerhalb der Venusbahn (obwohl - was Nicole freilich nicht wusste - das jüngste Halbkurs-Manöver das Raumschiff auf eine Flugbahn gebracht hatte, bei der die Entfernung zur Sonne wieder zunahm), und die Sonneneinstrahlung hatte schließlich die Temperatur im Ramainneren über den Gefrierpunkt des Wassers ansteigen lassen.
    Der Atlas warnte vor heftigen Luftbewegungen, Stürmen, Hurrikanen, die durch thermale Stabilitätsveränderungen in der Atmosphäre nach dem Schmelzen der See hervorgerufen werden würden. Nicole trat in die Mitte ihrer Grube. »Also kommt schon, ihr Vögel, oder was ihr sonst seid!«, schrie sie laut. »Kommt und holt mich und gebt mir die Chance hier rauszukommen!«
    Aber die Flugwesen kehrten nicht zurück. Nicole kauerte zehn Stunden lang in ihrer Ecke und wurde immer

Weitere Kostenlose Bücher