Rendezvous
worden.«
»Ist das wirklich wahr?« Scruggs beäugte die Flasche mit neuerwachtem Interesse. »Wenn das so ist, werde ich das Mittel augenblicklich ausprobieren.«
»Tun Sie das. Ich wünschte nur, ich hätte etwas ähnlich Wirksames, was ich Lady Arbuthnott geben könnte. Wie geht es ihr heute, Scruggs?«
Scruggs zog die buschigen weißen Augenbrauen hoch, und dann senkten sie sich wieder. In seinen blauen Augen schimmerte ein Anflug von Traurigkeit. Augusta war immer wieder fasziniert von diesen wunderschönen aquamarinblauen Augen. In seinem Gesicht mit den tiefen Falten und dem Schnurrbart erschienen sie ihr erstaunlich scharf und verwirrend jugendlich.
»Heute scheint sie einen guten Tag zu haben, Miss. Ich glaube, Sie werden feststellen, dass sie Ihrem Besuch mit größter Spannung entgegensieht.«
»Dann werde ich sie nicht länger warten lassen.« Augusta warf ihrer Zofe einen Blick zu. »Trink eine Tasse Tee mit deinen Freundinnen in der Küche, Betsy. Ich werde dich von Scruggs holen lassen, wenn ich bereit zum Aufbruch bin.«
»Ja, Ma'am.«
Betsy machte einen Knicks und lief eilig los, um sich den anderen Zofen und Lakaien anzuschließen, die ihre Herrinnen zu den nachmittäglichen Besuchen begleiteten. In Lady Arbuthnotts Küche mangelte es einem nie an Gesellschaft.
Scruggs lief qualvoll langsam und ähnlich wie ein Krebs auf die Tür zum Salon zu. Er öffnete die Tür und zuckte heftig zusammen, weil diese Geste ihm körperliche Leiden bereitete. Augusta ging durch die offene Tür und betrat eine andere Welt.
Es war eine Welt, in der sie, zumindest für ein paar Stunden täglich, ein Gefühl der Dazugehörigkeit verspüren konnte. Nach diesem Gefühl hatte sie sich seit dem Tod ihres Bruders gesehnt.
Augusta wusste, dass Sir Thomas und Claudia sich sehr bemüht hatten, ihr das Gefühl zu geben, dass sie bei ihnen zu Hause war, und sie hatte sich ihrerseits ebenso sehr angestrengt, die beiden in dem Glauben zu wiegen, sie empfände sich als einen Teil der Familie. Aber in Wirklichkeit empfand sie sich als Außenseiterin. Mit ihrer ernsthaften und intellektuellen Art und ihrem nüchternen und zuvorkommenden Verhalten würden Sir Thomas und Claudia Augusta niemals wirklich verstehen.
Aber hier, auf der anderen Seite der Tür zu Lady Arbuthnotts Salon, hatte Augusta das Gefühl, wenn sie schon kein wahres Zuhause gefunden hatte, zumindest unter ihresgleichen zu sein.
Das hier war Pompeia's, einer der neuesten, ungewöhnlichsten und exklusivsten Clubs ganz Londons. Eine Mitgliedschaft konnte man selbstverständlich nur dadurch erhalten, dass man zum Beitritt aufgefordert wurde, und wer nicht Mitglied war, machte sich keine wirkliche Vorstellung davon, was genau eigentlich in Lady Arbuthnotts Salon vor sich ging.
Außenstehende nahmen an, dass Lady Arbuthnott sich damit unterhielt, einen der vielen eleganten Salons zu führen, die sich bei den Damen der Londoner Gesellschaft so großer Beliebtheit erfreuten. Aber Pompeia's war weit mehr als nur das. Es war ein Club, der nach dem Vorbild von Herrenclubs gestaltet war und den Bedürfnissen von modern denkenden Frauen der Oberschicht entsprach, die gewisse unkonventionelle Auffassungen teilten.
Auf Augustas Vorschlag hin war der Club nach Cäsars Frau, derjenigen, die geschieden wurde, weil sie nicht gänzlich über jeden Verdacht erhaben war, benannt worden. Der Name passte glänzend zu den Mitgliedern. Die Damen, die Pompeia's beigetreten waren, waren alle von guter Herkunft und gesellschaftlich gut gestellt, doch sie wurden im allgemeinen als Originale angesehen, um es gelinde auszudrücken.
Pompeia's war in einigen Aspekten sorgsam den eleganten Herrenclubs nachgestaltet worden. Doch die Einrichtung und die Ausstattung hatten deutlich eine weibliche Note.
An den Wänden, die in einem warmen Gelbton gehalten waren, hingen Gemälde von berühmten Frauen aus der Frühgeschichte. An einem Ende des Raumes hing ein liebevoll gemaltes Porträt von Panthia, der Heilerin. Daneben hing ein wunderbar ausgeführtes Bild von Eurydike, der Mutter von Philipp II. von Makedonien. Sie war festgehalten worden, als sie gerade der Bildung ein Denkmal weihte.
Eine Darstellung Sapphos, die mit einer Leier in den Händen ihre Gedichte verfasste, hing über dem Kamin. Kleopatra auf dem Thron Ägyptens zierte das entgegengesetzte Ende des langen Raumes. Andere Gemälde und Statuen stellten die Göttinnen Artemis, Demeter und Iris in einer Vielfalt von anmutigen
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