Rendezvous
herumzutreiben. Und dann hatte Sally begonnen, leicht zu ermüden. Innerhalb von kürzester Zeit hatte sich deutlich herausgestellt, dass sie ernstlich krank war. Sie hatte sich in ihr eigenes Haus zurückgezogen, und Augusta hatte Pompeia's zu ihrer Unterhaltung ins Leben gerufen.
Trotz der verheerenden Auswirkungen ihrer Krankheit waren Sallys Sinn für Humor und ihre wache Intelligenz noch ausgesprochen ungetrübt. Ihre Augen drückten Freude und Belustigung aus, als sie den Kopf umdrehte und Augusta sah.
Die junge Frau, die neben Lady Arbuthnott saß, blickte ebenfalls auf, und Sorge trat in ihre hübschen dunklen Augen. Rosalind Morrissey war nicht nur die Erbin eines beträchtlichen Vermögens, sondern mit ihrem kastanienbraunem Haar und ihrer vollbusigen Figur war sie noch dazu attraktiv und reizend.
»Ah, meine liebe Augusta«, sagte Sally voller tiefer Zufriedenheit, als Augusta sich herunterbeugte und sie liebevoll auf die Wange küsste. »Etwas sagt mir, dass dir Erfolg beschieden war, stimmt's? Unsere arme Rosalind ist in den letzten Tagen ziemlich durcheinander gewesen. Du musst sie von ihrem Elend erlösen.«
»Mit dem allergrößten Vergnügen. Hier ist dein Tagebuch, Rosalind. Nicht direkt mit den herzlichsten Grüßen von Lord Enfield, aber was heißt das schon?« Augusta reichte ihr das kleine Buch mit dem ledernen Einband.
»Du hast es gefunden. « Rosalind sprang auf und riss ihr das Tagebuch aus der Hand. »Ich kann es kaum glauben.« Sie schlang die Arme um Augusta und drückte sie kurz an sich. »Was für eine enorme Erleichterung. Wie kann ich dir dafür bloß danken? Hat es Probleme gegeben? Weiß Enfield, dass du es an dich genommen hast?«
»Nun, die Dinge sind nicht gerade plangemäß verlaufen«, gab Augusta zu, als sie sich Sally gegenüber hinsetzte. »Und wir sollten wahrscheinlich am besten gleich darüber reden.«
»Was ist schiefgegangen?« fragte Sally interessiert. »Bist du ertappt worden?«
Augusta rümpfte die Nase. »Als ich das Tagebuch an mich bringen wollte, bin ich ausgerechnet von Lord Graystone erwischt worden. Wer hätte gedacht, dass er sich um diese nachtschlafende Zeit herumtreibt? Man hätte meinen sollen, er sei damit beschäftigt, eine weitere wissenschaftliche Abhandlung über irgendeinen vermodernden alten Griechen zu schreiben, wenn er um diese Stunde unbedingt noch wach sein muss. Aber nein, er ist einfach in die Bibliothek spaziert, so lässig, wie man es sich nur irgend vorstellen kann. Ich kniete gerade hinter Enfields Schreibtisch.«
»Graystone?« Rosalind sank mit entsetzter Miene wieder auf ihren Sessel. »Dieser grässliche Pedant? Er hat dich gesehen? Er hat mein Tagebuch gesehen?«
Augusta schüttelte tröstlich den Kopf. »Mach dir keine Sorgen, Rosalind. Er wusste nicht, dass es von dir ist, aber es stimmt, er hat mich in der Bibliothek ertappt.« Sie drehte sich mit finsterer Miene zu Sally um. »Ich muss schon sagen, das war alles äußerst mysteriös. Anscheinend wusste er, dass ich mich dort aufhalten würde, und er hat sogar gewusst, dass ich etwas aus dem Schreibtisch holen wollte. Er hat doch tatsächlich ein Stück Draht hervorgezogen und das Schloss geknackt. Aber er hat sich geweigert, mir seine Informationsquelle zu nennen.«
Rosalinds Augen wurden vor Schreck und Sorge groß. »Gütiger Himmel, wir müssen einen Spion in unserer Mitte haben.«
Sally gab beschwichtigende Laute von sich. »Ich bin ziemlich sicher, dass kein Grund zur Panik besteht. Ich kenne den Mann schon seit Jahren. Graystones Stadthaus steht gleich am anderen Ende der Straße, versteht ihr. Ich kann aus Erfahrung sagen, dass er nahezu davon besessen ist, die ungewöhnlichsten Informationen an sich zu bringen.«
»Er hat mir sein Wort darauf gegeben, keiner Menschenseele etwas von dem Vorfall zu berichten, und ich bin geneigt, ihm zu glauben«, sagte Augusta bedächtig. »Er hat sich in den letzten Monaten eng mit meinem Onkel angefreundet, versteht ihr, und ich nehme an, er hat geglaubt, er täte Sir Thomas einen Gefallen, wenn er mich bei den Enfields im Auge behält.«
»Ein guter Charakterzug an Graystone ist«, sagte Sally seelenruhig, »dass man sich darauf verlassen kann, dass er ein Geheimnis für sich behält. «
»Bist du ganz sicher?« Rosalind sah sie besorgt an.
»Absolut sicher.« Sally hob die Teetasse an ihre bleichen Lippen, trank einen Schluck und stellte die Tasse mit der Untertasse energisch auf einen Beistelltisch. »Also, denn,
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