René Schnitzler. Zockerliga: Ein Fußballprofi Packt Aus
kabellosem Internet-Zugang ausgestattet sind und man sich mit seinem eigenen Laptop einwählt. Und weil der Wirt Rico schwer in Ordnung ist, kommen die Jungs regelmäßig.
Die Computer hat Rico im Souterrain aufgebaut, oben, im Hochparterre, steht ein Billardtisch. Mit einem Pokertisch
hat der nur den grünen Bezug gemein, dient aber trotzdem als Spielstätte illegaler Pokerrunden.
Die Partien an Ricos Billardtisch sind bunt besetzt. Schnitzler pokert hier auch mit Karlheinz Pflipsen, dem Mönchengladbacher Publikumsliebling der neunziger Jahre, der 197 Bundesligaspiele machte und einmal für Deutschland auflief. Bei Rico richtet Schnitzler auch selbst ein Turnier aus.
Gemeinsam mit Poki zockt er nun auch öfter mal donnerstags bei Karlheinz Pflipsen. Der lebt in einem schicken Haus in Mönchengladbach. Seine Frau serviert Baguette mit Thunfischpaste an den großen Holztisch, wo neben Schnitzler, Poki und zwei befreundeten Versicherungsangestellten auch die Gladbacher Profis Peter Wynhoff und Stephan Paßlack sitzen. Mit Wynhoff, der in den neunziger Jahren 240 Mal für Mönchengladbach auflief, spielt Schnitzler in der Borussia-Reserve. Der Rheinländer Paßlack machte vier Länderspiele für Deutschland, begann seine Vereinskarriere bei Bayer Uerdingen und ging danach zu Köln, Frankfurt, Mönchengladbach und zu 1860 München. Er ist gerade wieder erst an den Niederrhein zurück gekommen, kickt in Uerdingen. »Über Paßlack«, erinnert sich Schnitzler, »haben wir uns immer lustig gemacht. Der hatte über 200 Bundesligaspiele gemacht und war am Heulen, wenn er mal 200 Euro verloren hatte.« Riesig hoch sind die Einsätze im Hause Pflipsen nicht.
Im Profifußball finden sich immer wieder interessierte Mitspieler. Zwischen den Trainingseinheiten bleibt ja viel Zeit, und die Magie des Zockens packt die meisten Mannschaftskollegen. Bei zweien von ihnen, die eine Wohngemeinschaft bilden, treffen sie sich bald öfter.
Die Pokerrunden in der großzügigen Wohnung im Mönchengladbacher Zentrum haben wenig Verruchtes, stolz sind die Teilnehmer vor allem darauf, dass sie überhaupt eine oder mehrere Runden auf die Beine stellen. Einmal spielen sie mit 18 Personen an drei Tischen. Dort geht es den Kickern um die Ehre und Beträge unter 100 Euro. Stefan Hoffmann sitzt da, damals bei Borussia Mönchengladbach II, heute beim KFC Uerdingen in der fünften Liga, dann der Amerikaner Kirk Harwat, ebenfalls ein Spieler der Gladbacher Reservemannschaft, heute Trainer bei den Richmond Spiders in seiner Heimat. Auch Marcell Jansen schaut öfter mal auf eine Partie vorbei, ebenso Andreas Spann, ein Schwabe aus Ulm, der ein paar Jahre schon in Mönchengladbach spielt.
Am aggressivsten aber spielt René Schnitzler. Nach den Partien mit den Kollegen pokert er oft noch online allein weiter. Doch auch sein Mannschaftskamerad Andreas Spann gerät in den Strudel des Glücksspiels. Über Monate lässt ihn der Poker nicht mehr los, er besucht Kasinos, setzt mehr, als er verdient, verliert, leiht Geld, setzt wieder, gewinnt zurück. Spann verschuldet sich fünfstellig, ziemlich viel ist das für einen Vertragsamateur. Doch nach einigen Monaten gelingt es ihm, das Zockermilieu hinter sich zu lassen. Spann ist heute Kapitän des 1. FC Heidenheim, ein geachteter Angreifer in der Dritten Liga mit einem Vertrag, von dem er gut leben kann. Er möchte sich zu der Zeit von damals nicht äußern. Das Glücksspiel war für ihn nur eine Etappe.
Für Schnitzler ist es mehr. Der Gladbacher Nachwuchsstürmer, eine Hoffnung für seinen Verein, gewöhnt sich an ein Leben mit Spielschulden. Dazu gehört es, zu tricksen, immer von Neuem und immer anders zu versuchen, an
Geld für die nächste Partie zu kommen. Noch einmal ist es der treue Poki, der darunter leidet. Als Schnitzler im Internet unbedingt ein Turnier spielen will und dafür 2 000 Euro Einsatz benötigt, bittet er den wie immer flüssigen Freund, ihm online Geld zu schicken. Er habe erst wieder in vier Tagen Geld auf dem Konto, erklärt Schnitzler, verspricht aber, sofort zur Bank zu gehen und dort schon mal zu überweisen. Poki soll nicht denken, er sehe die 2 000 Euro nicht wieder.
Schnitzler überweist tatsächlich, allerdings nur 200 Euro. Beim Ausfüllen des Überweisungsträgers lässt er nach der zweiten Null einen halben Zentimeter frei und fügt dann auf der Durchschrift hinter der Summe eine Null hinzu. Diesen Zettel zeigt er Poki, der ihn bis heute eingescannt auf der Festplatte
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