Rentner-WG - ein Best-Ager-Roman aus Frankfurt
anzubieten. Sie hätte es nicht fertig gebracht, ruhig eine Tasse einzuschenken.
„Was haben Sie eigentlich gegen mich?“, eröffnete Köhler das Gespräch.
Nimm ihr den Wind aus den Segeln, hatte seine Mutter geraten.
„Was haben Sie gegen die Menschen hier in Niederrad?“ konterte Leni. Das war nicht unbedingt die Antwort, mit der er gerechnet hatte.
„Ich habe überhaupt nichts gegen die Leute, ganz im Gegenteil. Ich möchte die Lebensqualität erhöhen, neue Einkaufsmöglichkeiten und mehr Service schaffen. Und nicht zuletzt auch ein paar neue Arbeitsplätze.“
„Indem Sie ihnen ihr Zuhause wegnehmen?“
Leni zitterte zwar immer noch, aber ihr Kopf funktionierte tadellos. In gespieltem Entsetzen riss Köhler die Augen auf und hob abwehrend die Hände. Manchmal kam es gut an, wenn er sich dumm stellte.
„Um Himmels Willen, ich will doch keinem sein Zuhause wegnehmen.“
„Sie wollen Häuser abreißen, Häuser, in denen Menschen wohnen. Sie vertreiben sie, um sich selbst ein Denkmal zu setzen. Eines, an dem Sie kräftig verdienen werden.“
„Worüber sprechen wir denn da genau? Die Häuser sind alt und schäbig, entsprechen schon lange nicht mehr dem heutigen Standard. Jeder, der aus diesen Wohnungen raus geht, wird sich in einer neuen, modernen Umgebung viel wohler fühlen.“
Köhler fühlte sich in die Defensive gedrängt. Das Gespräch lief nicht so, wie er es geplant hatte. Unbehaglich rutschte er in seinem Sessel herum. Leni dagegen wurde immer ruhiger.
„Aber nur, wenn sie das Geld dafür haben. Können Sie garantieren, dass jeder eine neue, bezahlbare Wohnung bekommen wird?“
Köhler schwieg. Es fing wieder an, heftig in ihm zu brodeln. Was ging es diese Kuh eigentlich an, wie er seine Mieten kalkulierte?
Arthur schenkte sich Kaffee nach. Er war so stolz auf Leni, dass er sie am liebsten umarmt hätte. Mit diesem Milchbubi konnte sie es allemal aufnehmen. Wie sie da in einem schicken Kleid auf der Couch saß, die Wangen leicht gerötet, strahlte sie eine ungeheure Energie aus. Er ertappte sich dabei, dass er sie fasziniert anstarrte.
Köhler hatte die kurze Pause genutzt, um sich wieder zu beruhigen. Er durfte den Topf nicht überkochen lassen.
„Das führt zu nichts. Frau Brandner. Lassen Sie uns noch einmal von vorn anfangen. Um was geht es Ihnen denn, was genau wollen Sie?“
Es war Zeit für die Kernfrage. Gespannt beugte er sich vor.
Leni ließ sich Zeit mit ihrer Antwort. Respekt, Anerkennung, ein Zuhause, in dem es warm war, behaglich durch die Zuneigung der Bewohner füreinander. Verwirrt schüttelte sie den Kopf. Das war es nicht, um das es hier ging.
„Vielleicht ist es eher etwas, das ich
nicht
will“, begann sie zögernd. „Ich will nicht, dass Sie auf anderen herum trampeln und rücksichtslos in ihr Leben eingreifen. Und das alles nur wegen Geld. Es ist diese maßlose Gier, die ich nicht ausstehen kann.“
In seinen Augen sah sie blankes Unverständnis.
„Sie wissen gar nicht, wovon ich rede, oder?“, fragte sie freundlich. Köhler sprang auf und brüllte los.
„Jetzt reicht es! Ich hab genug von diesem Gewäsch. Ihr seid ja hier alle durch den Wind.“
Wild sah er sich um und lachte verächtlich auf.
„Ich hab’s im Guten versucht. Es kann mir keiner nachsagen, dass ich nicht alles probiert habe. Aber mit eurer Sorte kann man einfach nicht reden. Euch muss man zeigen, wo es lang geht. Und bei Gott, das werde ich. Ich lass mich doch nicht von ein paar vertrottelten Hausfrauen und senilen Rentnern stoppen.“
Auch Arthur war aufgestanden. Das konnte brenzlig werden. Nur Leni bewahrte ihre Ruhe. Sie sah zu Köhler hoch.
„Was haben Sie gegen Hausfrauen? Vielleicht hat sich Ihre Mutter zu wenig um Sie gekümmert, das täte mir leid. Und was die Rentner betrifft, da sind Sie nicht auf dem neuesten Stand. Die sind alles andere als senil. Die sind heutzutage putzmunter und hellwach.“
Köhler sah Rot. Wo war er da nur hin geraten? Die Frau sprach wirres Zeug. Und dieser ältliche Gartenzwerg plusterte sich auf wie ein größenwahnsinniger Gockel. In wildem Zorn fletschte er die Zähne.
„Sie wollen es nicht anders. Wer nicht hören will, muss fühlen“, knurrte er. Dann stürmte er durch den Flur zur Haustür und war draußen, bevor Leni und Arthur es richtig begriffen. Mit lautem Krachen fiel die Tür zu.
„Na, das war doch mal ein Abgang! Der Junge hat Sinn für Dramatik.“
Mit spitzen Fingern nahm Arthur Köhlers Kaffeetasse und trug sie in
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