Rentner-WG - ein Best-Ager-Roman aus Frankfurt
Speck zu, die Charly wieder etwas Farbe ins Gesicht zauberte.
Von Tag zu Tag stieg die Spannung. Leni hatte sich, wie sie fand, sehr geschickt dabei angestellt, bei ihrem Interview im Zusammenhang mit Köhler ganz nebenbei den Namen eines gewissen Magistratsmitarbeiters zu nennen. Der Reporter hatte den Köder brav geschluckt und sich unverzüglich daran gemacht, im Schmutz zu wühlen. Nun warteten alle gespannt, was dabei heraus kam. Wenn man eine Verbindung zwischen Köhler und diesem Steiner nachweisen konnte, hatte man zumindest eine kleine Chance, das Bauprojekt ins Wanken zu bringen. Schmiergeldaffären waren kein Kavaliersdelikt.
„Du hast es schon wieder in die Schlagzeile geschafft“, verkündete Arthur am Samstagmorgen und warf triumphierend die dicke Zeitung auf den Frühstückstisch. Leni, Barbara und Linse stürzten sich gleichzeitig darauf. Linse war am schnellsten.
„Aus Ehekrieg wird Bestechungsaffäre“, las sie vor.
Barbara klatschte in die Hände vor Begeisterung, Linse und Arthur strahlten, nur Lenis Laune sank. Sie hatte gehofft, dass ihr Name herausgehalten wurde. Mit Bestechung hatte sie nun wirklich nichts zu tun. Genauso wenig wie der Zustand ihrer Ehe etwas mit dem Bau des Zentrums. Alles war verdreht und verzerrt. Sie hatte Angst. Es war klar, dass Köhler diese Meldung nicht auf sich sitzen lassen würde.
Hatte Thomas davon gewusst? War er sogar beteiligt gewesen? Wenn sie an die Schmierenkomödie dachte, die er bei ihr aufgeführt hatte, kamen ihr große Zweifel an seiner Aufrichtigkeit. Er hatte keine Sekunde gezögert, ihr großes Kino vorzugaukeln, nur um sie mundtot zu machen.
Jemand legte seine Hand auf ihre, und sie schreckte hoch.
„Egal, was kommt, wir stehen das zusammen durch.“ Arthur sah sie aufmunternd an.
„Wir sind die Rentner-WG. Mit uns legt sich besser keiner an!“
Sein Lachen löste Lenis Anspannung. Dankbar drückte sie seine Hand.
Das Jungengesicht von Bernd Köhler war wutverzerrt. Sandi ging im Vorzimmer in Deckung. Sie hatte alle Hände voll zu tun, um die ständigen Anrufer abzuwimmeln und verstand die Welt nicht mehr. Ihr netter Chef und Bestechung? Das kriegte sie irgendwie nicht zusammen. Sie wünschte sich verzweifelt, dass dieser Tag schon zu Ende wäre. Die Nerven lagen blank.
Seit Köhler Junior den Artikel in der Zeitung gelesen hatte, kreisten seine Gedanken um Schadensbegrenzung. Es war müßig zu überlegen, wer nicht dicht gehalten hatte. Diese Zeitungsleute waren die Pest. Wenn sie erst einmal etwas gefunden hatten, wurde man sie nicht mehr los. Ausgerechnet diese Leni Brandner hatte sie auf die Fährte gesetzt. Er griff zum Telefon.
„Verdammt, Thomas, ich hab dich gewarnt.“
Thomas Brandner konnte förmlich durchs Telefon hören, wie er verächtlich die Mundwinkel verzog.
„Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass Leni hinter diesem Artikel steckt. Dazu ist sie einfach nicht clever genug.“
Schön und gut, sie hatte eine Rede vor einer kleinen Versammlung gehalten. Aber woher sollte sie jemand vom Magistrat kennen, geschweige denn irgendwelche Zusammenhänge aufdecken? Er wusste ja selbst erst seit kurzem, dass da was oberfaul war.
Köhler hielt sich nicht mit Schuldzuweisungen auf. „Ich verlange, dass sie das dementiert“, schäumte er.
Thomas war ratlos.
„Im Artikel steht ja nicht, dass sie es war, die diese Behauptungen aufgestellt hat. Außerdem ist sie nicht meine Leibeigene. Wie soll ich ihr den Mund verbieten?“
Alle waren sie Schlappschwänze und Memmen. Sein Mudderche hatte völlig Recht. Nur wenn man sich selbst um alles kümmerte, konnte man sicher sein, dass es in Ordnung war. Ohne ein weiteres Wort unterbrach Köhler die Verbindung und drückte sofort die Sprechtaste zum Vorzimmer.
„Sandi, such mir die Telefonnummer von dieser Leni Brandner raus. Und die Adresse. Aber ein bisschen plötzlich.“
Jetzt würde er sich diese Dame selbst vorknöpfen. Es war einfach lächerlich, dass eine ältliche Hausfrau ihm in die Parade fuhr. Eine Minute später melde sich Sandi mit kleinlauter Stimme.
„Im Telefonbuch steht sie nur unter ihrer alten Adresse. Einen neuen Eintrag finde ich nicht.“
Mit rotem Gesicht stürmte Köhler ins Vorzimmer.
„Wenn du nicht in fünf Minuten die Nummer hast, schmeiß ich dich hochkant raus“, brüllte er aus vollem Hals. Sandi ließ den Block fallen, den sie in der Hand hielt, und rannte heulend aus dem Zimmer. Er griff nach dem nächstbesten Ordner, der
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