Replay - Das zweite Spiel
sechzehn war.
Dennoch verliebte er sich im ersten Jahr heftig und besinnungslos in seine Französischlehrerin, eine Frau Mitte zwanzig namens Deirdre Rendell. Mit dieser Obsession stand er nicht allein; grob geschätzt waren achtzig Prozent der Jungen auf dem mädchenlosen Campus in die gertenschlanke Brünette verliebt, deren Ehemann amerikanische Geschichte unterrichtete. Täglich kam es beim Abendessen im Speisesaal zu einer wilden Balgerei um die sechs Schülerplätze am Tisch der Rendells, und er schaffte es zwei- oder dreimal die Woche, sich einen Platz zu ergattern.
Er war überzeugt, dass sie ihm gegenüber etwas Besonderes empfand, mehr als nur die strahlende Herzlichkeit, die sie den anderen Jungs entgegenbrachte; er war sicher, ein besonderes Leuchten, eine Flamme in ihren Augen wahrzunehmen, wenn sie mit ihm sprach. Einmal stand sie im Klassenzimmer hinter seinem Stuhl und massierte langsam, wie beiläufig seinen Nacken, während sie die Schüler Baudelaire rezitieren ließ. Das war ein Moment großer erotischer Intensität für ihn gewesen, und er hatte sich an den neidischen Blicken seiner Klassenkameraden geweidet. Eine Zeit lang hatte er sogar aufgehört, zu den Ausklappbildern des Playboy zu masturbieren, hatte seine sexuellen Phantasien für Deirdre aufgespart, wie er sie insgeheim nannte, für Deirdre allein.
Gegen Ende November wurde offensichtlich, dass Mrs. Rendell schwanger war. Jeff tat sein Bestes, zu übersehen, was dies über die Beziehung zu ihrem Mann aussagte, und konzentrierte sich stattdessen auf die neue Schönheit, welche die bevorstehende Mutterschaft in ihr Gesicht zeichnete.
Im Winter nahm sie dann Mutterschaftsurlaub, und eine neue Lehrerin übernahm bis zu ihrer Rückkehr ihre Stunden. Das Kind wurde Mitte Februar geboren, und im April war Mrs. Rendell wieder an den Tisch des Ehepaars im Speisesaal zurückgekehrt, ihre Brüste von der Milch prachtvoll angeschwollen. Wenn sie das Kind nicht auf dem Arm hielt, ließ sie es in einer Korbkindertrage; und ihr Mann schwärmte sie vom Nachbarstuhl aus unaufhörlich an. Beide nahmen jeden Moment ihrer zärtlichen Aufmerksamkeit in Anspruch - Jeff gelang es nicht mehr, aus dem seltenen Lächeln, das sie ihm schenkte, geheime Koseworte herauszulesen.
Die Rendells lebten in einem Haus außerhalb des Campus, auf der anderen Seite des Waldes hinter der Bibliothek. An sonnigen Tagen ging Mrs. Rendell gern zu Fuß zur Schule und wieder nach Hause, durch den friedvollen Ulmen- und Birkenbestand. Es gab einen ausgetretenen Fußpfad, der in diese Richtung führte, doch wurde er von einem Bach durchbrochen. Im Herbst hatte sie das schmale Rinnsal leicht durchwaten können, doch jetzt, da sie das Baby im Kinderwagen vor sich herschob, stellte es ein ernsthaftes Hindernis dar.
Ihr Mann mühte sich sechs Wochen lang ab und baute eine kleine Brücke. Er schnitt das Holz mit der Bandsäge in der Schulwerkstatt zurecht, hobelte es glatt, machte die Balken und Querträger für die geringe Spannweite zweimal so fest, wie nötig gewesen wäre. Am Abend des Tages, als die Brücke fertig wurde, küsste ihn Mrs. Rendell am Tisch im Speisesaal, lang und zärtlich. Etwas Derartiges hatte sie noch nie vor einem der Jungen getan. Jeff starrte auf sein ungegessenes Abendessen, sein Magen war wie zugeschnürt.
Am nächsten Tag ging er in den Wald, um allein zu sein, um die schrecklichen Gefühle loszuwerden, die ihn überschwemmten. Doch als er zufällig auf die Brücke stieß, schien etwas in ihm zu zerspringen.
Sein Kopf dröhnte vor ungewohnter Wut, als er den erstbesten großen Stein aus dem Bachbett hob und ihn mit aller Kraft gegen das hölzerne Geländer schleuderte.
Einen Stein nach dem anderen schleuderte er, die schwersten, die er finden und hochheben konnte. Die Stützen waren am schwierigsten zu zerbrechen; sie waren gebaut, um zu überdauern, doch unter Jeffs wütenden Angriffen gaben sie schließlich nach und stürzten zusammen mit den gesplitterten Überbleibseln der Brückenkonstruktion in den Bach.
Als es vollbracht war, stand Jeff da und starrte die nassen Trümmerstücke an, vor Erschöpfung und Angst in heftigen Stößen atmend. Dann blickte er auf und sah Mrs. Rendell auf der anderen Uferseite stehen. Ihre Blicke verhakten sich mehrere Sekunden lang, dann stürzte Jeff davon.
Er erwartete, von der Schule verwiesen zu werden, doch der Vorfall wurde niemals erwähnt. Jeff setzte sich nie wieder an den Tisch der Rendells. Wenn möglich,
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