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Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition)

Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition)

Titel: Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marianne Reuther
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einzuweihen. Sehr gefährlich.“
    „Ach, tatsächlich?“
    „Zuwiderhandlunge werden hart bestraft. Fragen Sie mich nicht, auf welche Weise.“
    Aus Gerds Gesicht war alle Farbe gewichen. Er zitterte am ganzen Körper.
    Die „Stadt“ wurde durch indirektes Licht erhellt. Es kam von den Milchglasdecken und wandelte die ewige Finsternis hier unten in Tag und Nacht mit Abend- und Morgendämmerung. Im Moment simulierte es einen sonnigen Nachmittag. Es begegneten ihnen traurige Gestalten, sie grüßten leise, gingen weiter. Eine Frau blieb vor ihnen stehen. „Hallo, Gerd! Schön, dich zu sehen. Ich dachte schon, du hättest Egon verprügelt und seist in der Apathie gelandet. Wo hast du nur die ganze Zeit gesteckt?“
    „Ich war e Woch abwesend. Bei meiner letzten Blutunnersuchung hat man eine dramatische Leukozytenansammlung festgestellt, das hat die Regierung alarmiert und ich musste in Quarantäne. Dort hat man mich durchgecheckt und festgestellt, dass nix weiter war als eine banale Kieferentzündung, und ich durfte wieder zurück ins Paradies, werde ambulant behandelt. Herr Konrad, darf ich vorstellen: Hannelore Voß, Hannelore, das ist Edmund Konrad. Neu eingetroffe, ich darf ihn rumführn. Stell dir vor, oben war er mein Klassenlehrer, Mathe und Physik!“
    „Ich hätte Interesse an einer Auffrischung meiner Kenntnisse in Trigonometrie. Ließe sich das machen?“
    „Stehe zu Ihrer Verfügung. Wann solls losgehen?“
    „Ich schlage vor, wir besprechen das bei Helga in der Teestube Interim , morgen, so um vier Uhr.“ Sie sah Gerd an: „Gerd zeigt Ihnen bei der Stadtbesichtigung gewiss, wo das ist.“
    „Klar“, sagte Gerd. „Übrigens könntest du uns begleiten.“
    „Geht nicht. Bin mit Margot verabredet. Tschüss, ihr beiden.“
    Edmund sah ihr hinterher. „Das war mal eine herzerfrischende Abwechslung. Was meinte sie mit Apathie?“
    „Tabuthema. Sie erfahren das von oben. Demnächst.“
    Die weiß getünchten Mauern links und rechts des Fliederpfades ragten bis zur Glasdecke, unterbrochen von Fenstern und Eingangstüren. Sie durchwandelten auf blau-weiß gefliesten Gehwegen Eulengasse, Rosmarinpfad, Elstergasse, besuchten eine Kegelbahn, Fitnesssäle, Schwimmhalle und Liegewiese.
    „In der Schwimmhalle beginne unsre tägliche Pflichtübunge“, erklärte Gerd. „Von sechs bis halb sieben müssen wir schwimmen, uns danach im Frühstückssaal A1 einfinden und uns an einem Büfett bedienen. Die Tische sind nummeriert. Im Flur vor dem Saal hängt eine Liste an der Wand mit unseren Namen, alphabetisch aufgeführt. Die Nummer des Tisches, dem wir zugeordnet sind, steht dahinter. De Frühstückssaal is am Irispfad Ecke Krähengasse, wir kommen nachher auf dem Weg zum Wohntrakt dran vorbei. Ab viertel vor acht ist auf der Liegewiese Ruhe angeordnet, reglementierte allerdings. Im FKK-Zustand liegend müssen wir Kommandos befolgen, während UV-Strahlen in Intervallen auf unsere Körper einwirken. Danach geht’s bis um elf in die Turnhalle zur Gymnastik und von halb zwölf bis eins zum Fitnesstraining in der Halle daneben. Ab eins haben wir frei bis zum nächsten Tag um sechs.“
    Vor Edmunds Augen fing es an zu flattern. Wäre es nicht Gerd gewesen, sein Schüler, der ihn hier herumführte und ihm in dem vertrauten Mix von Deutsch und Frankfurterisch dieses sonderbare Dasein erklärte, würde er meinen, er sei auf einen fernen Planeten geraten oder er befände sich im Delirium. Langsam begann alles um ihn her auf und ab zu wippen. Immer wieder fuhr er sich über die Augen, sein Magen rebellierte und ihm war übel. Gerd fuhr fort:
    „Über den Tagesablauf finden Sie in Ihrer Kemenate einen Stundenplan und auch en ‚Stadtplan‘ von Repuestos vor. Und des Wichtigste: einen Monitor.“
    „Gerd, mir schwindelt und mein Kreuz schmerzt. Können wir uns irgendwo hinsetzen, paar Minuten wenigstens?“
    „Klar. In Theos Café, paar Schritte von hier.“
    Drei Stufen führten zur Eingangstür. Kaffeeduft schlug ihnen entgegen. Sie setzten sich an einen der drei noch freien Tische und bestellten ein Kännchen Kaffee. Am Nachbartisch steckten zwei Männer die Köpfe zusammen und flüsterten aufgeregt miteinander. Gleich darauf betrat eine zierliche Frau das Lokal, ihre roten Locken waren zum Pferdeschwanz zusammengebunden, und sagte: „Darf ich mich zu euch setzen?“ Und da saß sie auch schon.
    „Hertha!“, rief Gerd überrascht. „Ich habe dich ewig nicht mehr gesehen! Das ist Herr Konrad. Heute

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