Requiem für einen Rockstar (German Edition)
sehen. Da ist deine Kollegin weiss Gott aus anderem Holz geschnitzt. Sie hat bei seinem Anblick nicht einmal mit der Wimper gezuckt. Wie bist du nur Kommissär geworden?»
Ferrari winkte ab.
«Schon gut, Peter. Immer das gleiche Lied. Es macht dir Spass mich vorzuführen.»
Strubs Leute hatten ihre Arbeit beendet.
«Wenn ihr nicht mehr rein wollt, lassen wir ihn, oder sagen wir die kümmerlichen Überreste, abholen.»
Nadine hatte sich neben den schwankenden Kommissär gestellt.
«Alles in Ordnung, Francesco?»
«Wer … wer tut so etwas, Nadine?»
«Sicher kein Fan! Ihr braucht mich nicht mehr, oder? Ich werde ihn untersuchen und lege euch dann den Obduktionsbericht auf den Tisch. Sagen wir in vierundzwanzig Stunden.»
«Ohne Fotos, bitte!», ergänzte Nadine.
Peter Strub musste lachen.
«Ein gutes Team. Die intelligente, schöne Nadine und das ältliche Weichei. Pass gut auf ihn auf, Nadine. Sonst kippt er noch um. Und das wollen wir doch sicher hier vor den Kollegen vermeiden. Ich lege dir den Bericht auf den Schreibtisch. Dann kannst du schon vorab zensurieren, was Francesco nicht gut bekommt. Ciao.»
Der Kommissär musste dringend an die frische Luft. Er ging durch die Senftube, wie der Spieleraufgang genannt wurde, übers Feld zur Tribüne. Dort setzte er sich in die erste Reihe. Er drehte sich um und schaute hoch. Normalerweise sass er im Sektor A4 ziemlich zentral in der Reihe zwanzig. Ein Privileg, das er seiner Freundin Olivia Vischer verdankte. Eigentlich hätte ich dieses grosszügige Geschenk nicht annehmen dürfen, sinnierte Ferrari. Man könnte mir leicht einen Strick daraus drehen und von Korruption sprechen. Aber beim FC Basel darf und muss man eine Ausnahme machen. Oder? Fussball ist nun mal eine Herzensangelegenheit. Und mein Herz schlägt rotblau. Unwillkürlich griff sich der Kommissär an die geschwelgte Brust.
«Von hier aus sieht man aber nicht gerade viel vom Spiel», hörte er Nadine sagen.
«Was meinst du?»
«Schau doch mal rüber zum Tor in der Muttenzer Kurve. Das siehst du doch nur noch zur Hälfte. Und wenn es mal richtig regnet, möchte ich echt nicht hier in der ersten Reihe sitzen. Da wirst du durchgeweicht.»
«Ich sitze normalerweise im A4, praktisch auf der Mittellinie.»
«Ich weiss. Olivia Vischer lässt grüssen.»
Ferrari schaute sie fragend an.
«Die erste Regel in der Zusammenarbeit mit Kommissär Ferrari heisst, niemand legt sich mit ihm an, weil der Basler ‹Daig› seine Hand schützend über ihn hält. Und er die seine über ihn.»
So also dachte man unter den Kollegen. Feine Kollegen sind das! Nadine musste laut lachen, als sie Ferraris düstere Miene sah.
«Nimms ein wenig gelassener, Francesco. Es ist doch schön, wenn man kleine Privilegien hat. In dieser Beziehung sind wir seelenverwandt. Mit dem Unterschied, dass ich sie geniesse.»
«Es ist nicht so, wie die Kollegen meinen», brummte ein sichtlich verstimmter Kommissär.
«Ist doch egal, was die Leute denken. Du machst einen guten Job, das allein zählt. Und ehrlich gesagt, finde ich es sehr beruhigend, wenn man noch einen Trumpf im Ärmel hat. Auch, wenn du ihn vermutlich nie ausspielen würdest. Also, was ist jetzt, gehts dir besser, Weichei?», imitierte sie Strub.
«Dieser verdammte Leichenfledderer! Er erwischt mich immer wieder. Es macht ihm Spass, mich vorzuführen.»
«Was ihm auch immer wieder hervorragend gelingt.»
Ferrari erhob sich mühsam und ging mit Nadine zusammen zurück zu den Garderoben. Sie setzten sich im Aufenthaltsraum des Abwarts, den er ihnen förmlich aufgedrängt hatte, an den Tisch.
«Wirklich kein schöner Anblick, da hat Strub recht. Er muss mit voller Wucht getroffen worden sein. Gewehrt hat er sich sehr wahrscheinlich nicht. Irgendwie kommt es mir so vor, als ob er vollkommen entspannt auf der Bank sass, als es geschah.»
Beim Gedanken an den Toten musste Ferrari erneut würgen.
«Wer … wer hat ihn gefunden?»
«Arnold Schuster, der Abwart. Er wartet draussen. Soll ich ihn holen?»
«Ja. Vielleicht hat er etwas oder jemanden gesehen. Denn so ganz allein kann John Lauscher nicht gewesen sein.»
Arnold Schuster war ein breitschultriger, burschikoser Mittfünfziger.
«Danke, dass wir Ihren Aufenthaltsraum benutzen dürfen, Herr Schuster.»
Ferrari sah sich um. An den Wänden hingen signierte Fotos von FCB-Spielern, einige Kickschuhe und ein eingerahmtes Leibchen.
«Meine Souvenirsammlung», hörte er den Abwart sagen. «Ganz besonders stolz bin
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