Requiem: Roman (German Edition)
Meisterspion. Etwas an Ferguson sorgte dafür, dass McCrink sich ungeschlacht fühlte. Als kleinstädtischer Polizist, bäuerisch und ungebildet.
Sie saßen in Lederstühlen, von denen man auf den Golfplatz hinausblickte. Golfer bewegten sich zwischen Abschlag und Grün, suchten Schutz unter den von Salzwinden bewegten Palmen im Küstenbereich. »Ich hab mich gefragt, ob Sie gerne nach England zurückgehen würden.«
»Ich bevorzuge es, hierzubleiben.«
»Ich habe Ihr Dossier gelesen. Ihr Vorgesetzter bei Scotland Yard erwähnte Ihre geistig-seelische Verfassung, Probleme innerhalb der Familie.«
»Meine Ehe.«
»Die Frauen. Immer die Frauen, ist es nicht so, Eddie? Ich besuche Doris Curran in der Nervenheilanstalt. Niemand sonst besucht sie. Abgesehen natürlich von Ihnen. Sie findet, ihre Tochter sei ein schwieriges Mädchen gewesen. So was ist immer kompliziert.«
Leute wie Ferguson funktionierten so. Andeutungen, Nebenbemerkungen und Themen, die in der Luft hängen blieben. McCrink wusste, dass er erneut gewarnt wurde, seine Finger von Richter Curran zu lassen.
»Warum hat Faulkner McGladderys Urteil nicht umgewandelt?«
»Er hat dieses Jahr schon Bratty begnadigt. Außerdem ist es für Jungs wie Faulkner wichtig, was man in England von ihnen hält. Leute wie er möchten die harten Burschen auf ihrer Seite wissen. Und die harten Burschen sehen Mörder gerne baumeln.«
»Was halten Sie von Richter Currans Rolle beim Prozess?«
»Was meinen Sie damit?«
»Seine Zusammenfassung. Er hat McGladdery ausgeliefert. Er hat seine Verteidigung untergraben.«
»Die Geschworenen hätten ihn sowieso verurteilt. Das konnte man sehen. Sie wollten es so.«
»Bis Curran seinen Mund öffnete, hatte er eine Chance.«
»Er hatte nie die geringste Chance.«
»Ich denke, er hätte eine gehabt.«
»Das wird Einfluss auf Ihre Karriere haben, verstehen Sie. Ein perverser Mörder, der in Ihrem ersten Jahr als Polizeiinspektor ins Jenseits befördert wird. Sie sind hier doch in der tiefsten Provinz. Eine Hinrichtung könnte Ihnen einen Aufstieg bescheren.«
»Solange McGladdery hingerichtet wird. Ob er es getan hat oder nicht.«
»Wenn das Gericht sagt, er hat es getan, dann hat er es getan. Dagegen gibt es nichts auszurichten.«
»Ich kann sehr wohl etwas ausrichten.«
»Ihr Freund Barrett beim Express.«
»Wie kommt es, dass Sie davon wissen?«
Ferguson winkte ab. McCrink dachte an das Hauptquartier der Special Branch, des nationalen Abwehr- und Abhördienstes, an die kilometerlangen Akten und Aufzeichnungen von abgehörten Telefongesprächen.
»Er wartet nur darauf, dass ich ihm das O.K. gebe, die Telefonaufzeichnungen von Richter Curran zu publizieren. Das wird beweisen, dass er über die Nacht von Patricias Mord gelogen hat.«
»Was denken Sie, ist in jener Nacht geschehen?«
»Ich denke, dass Patricia im Haus getötet wurde und ihre Leiche dann nach draußen gebracht wurde. Die Diagnose von Doris Curran lautet auf paranoide Schizophrenie. Es gibt Berichte von Kranken, die ihre Liebsten unter dem Einfluss von Wahnvorstellungen töteten.«
»Diese Diagnose würde ich erst mal bestätigen lassen, bevor ich weitere Schritte unternähme. Wenn es so gewesen sein sollte, wäre es nur ein weiterer Fall, bei dem ein Mann verzweifelt versucht, seine Frau zu schützen. Und das ist verständlich.«
»Ein unschuldiger Mann wurde für das Verbrechen verurteilt. Er wäre beinahe am Galgen gelandet.«
»Ist er aber nicht.«
Ferguson bückte sich, löste den Verschluss des Aktenkoffers zu seinen Füßen und ließ ihn für eine Weile offen, bevor er ihn wieder schloss. McCrink sah den braunen Kartonordner. Die Akte mit den Telefonaufzeichnungen aus The Glen.
»Wie sind Sie an die gekommen?«
»Die Welt dreht sich weiter, Mr McCrink. Die Zeitungen sind voll mit Hanratty und dem A6-Mord. Es gibt keine Verschwörung. Für McGladdery interessiert sich keiner. Oder für Pearl. Barretts Redakteur wollte die Geschichte nicht. Er hat mir das Dossier in der Hoffnung gegeben, dass ich in Zukunft bei irgendeiner Geschichte etwas durchsickern lasse. So funktioniert das.«
Ferguson stand auf. »Vielleicht denken Sie, dass ich hier bin, um Ihre Karten zu zinken, und vielleicht liegen Sie damit sogar richtig. Aber ich habe Ihr Dossier gelesen, wie ich schon gesagt habe. Eine Frau kann für viele Männer den Ruin bedeuten. Wenn man Ihnen die Möglichkeit anbietet, sich wieder aufzurichten, sollten Sie annehmen. Keiner hält was von
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