Requiem: Roman (German Edition)
Die Stadt, erbaut auf Sumpfland. Die Warenhäuser am Kanal leer und verlassen. Der Fluss ein übel riechender Sumpf, abhängig von den Gezeiten. Flussaufwärts eine Färberei, die giftiges Sickerwasser abließ. Feuchter, malziger Geruch aus der Futtermittelfabrik am Merchants Quay. Noch weiter oben standen baufällige Gerbereien und Brauereien. Der Nebel vom Meer trieb vorbei an Boat Street, Sugar Island, Butter Crane, Chancellors Road, Exchequer Hill. Der Tod schlug Kapital aus der Dunkelheit.
Margaret stand vor Tagesanbruch auf. Er hörte, wie die Wohnungstür ins Schloss fiel und ihr Auto ansprang. Er nahm die Bibel vom Bett und blätterte darin. Sein Vater hatte die Bibel jede Nacht vom Regal über dem Radio heruntergenommen und ihnen daraus vorgelesen. Sein Vater, der sich im Licht der Vierzig-Watt-Birne nach vorn lehnte und beinahe qualvoll aus der verehrten Schrift vorlas, als müsse jedes Wort erst verdient werden. Ein Mann, der sich abplagte, um Wahrheit aus der Dunkelheit zu schöpfen, vorgebeugt in tief empfundenem Erzählen.
Vierundzwanzig
A gnes hatte auf den Stufen des Gerichtsgebäudes gestanden und zugeschaut, wie ihr Sohn in Handschellen an einer johlenden Menschenmenge vorbeigeführt wurde. Sie sah, wie Frauen sie von oben herab anstarrten. Eine Frau, von der Welt verstoßen. Eine Frau mit einem Sohn, dessen sterblichem Leben in einem Gerichtsgebäude der Prozess gemacht worden war. Es war typisch für Robert, das Herz einer Mutter derart zu gefährden. Sie verstand nicht, warum die Meute ein solches Verlangen nach dem Tod ihres Sohnes hatte. Sie wusste nicht, welcher Präzedenzfall hier zur Geltung kam. Ein Herz, das von zu viel Beanspruchung narbenübersät war. Ihr Leben war eine Geschichte, die falsch herum erzählt worden war. Sie hatte eine Schwäche für Männer, das musste sie zugeben. Ihr Leben war voller Schuld.
Agnes las gerne Liebesgeschichten. Das war etwas, das sie ihrem Sohn weitergegeben hatte. Die Lust am Lesen. Sie konnte drei Romane pro Woche lesen. Als sie noch in der Fabrik arbeitete, lachten die anderen Mädchen sie aus und sagten, dass sie ihre Nase immer zwischen zwei Seiten stecke.
Die meisten Frauen stimmten zu, dass Robert mit seiner Mutter Glück gehabt hatte. Viele andere junge Mädchen hätten ein Kind in ein Heim gegeben, wenn es zu so etwas überhaupt gekommen wäre. Wenn Mädchen aus der Fabrik in andere Umstände kamen, rieten andere dazu, es wegmachen zu lassen. Aber Agnes war nicht so, denn welcher Vater würde nicht für seinen Sohn zurückkehren, wenn er wusste, dass Mutter und Kind sich selbst überlassen sein würden? Sie behielt ihn als Pfand und Andenken an ihre Liebe. Es war nicht ihr Fehler, dass er geworden war, wie er war. Die Verdorbenheit in ihm war nicht ihre Schuld.
Am Tag, bevor Robert gehängt wurde, kam Pastor Norman Dugdale zu ihr nach Hause, um zu sehen, ob sie ihn ein letztes Mal besuchen wollte. In den Augen Gottes sind wir alle Verurteilte, sagte er. Sie zog sofort Hut und Mantel an und fuhr mit Pastor Ductale zum Gefängnis an der Crumlin Road, wo man sie am Tor einließ. Als Robert sie sah, fing er an, sie zu beleidigen, so, wie er es immer getan hatte, und sie musste ihn daran erinnern, dass ein Geistlicher anwesend war, worauf Robert meinte: »Geistlich, das glaubst du doch selber nicht, morgen um die Zeit werd ich vor dem Herrn stehen oder vor dem Teufel«. Dann schaute er ihr in die Augen und sagte: »Ich hab’s nicht getan, Mutter, das kannst du ihnen sagen!«, ein Satz, der eine Mutter für den Rest ihres Lebens verfolgt. Dann nahm er ein Stück Papier aus seiner Hosentasche und reichte es ihr. »Hier, Ma«, sagte er, »das hier hab ich über mich aufgeschrieben.«
An diesem Abend saß sie wie blind auf dem Sofa. Sie wusste nicht, was sie tat. Sie nahm einen Behälter aus der Küche und stellte ihn in die dunkle Nacht hinaus, genau wie es Robert als Kind getan hatte, um einen Meteoriten zu fangen, wie er sagte. Doch als sie bei Tagesanbruch nach draußen ging, war keiner vom Himmel gefallen. Dann erst erinnerte sie sich an das Papier, das er ihr gegeben hatte und faltete es auf, um zu lesen.
Mein Name ist Robert John McGladdery und das ist mein
Bericht. Ich wurde in Tinkers Hill geboren in dieser speziellen Nacht von der die Nachbarn sagen dass sie so kalt war dass sogar die
Sterne am Nachthimmel wie angefroren waren so dass mir Kälte nie was ausmachte nicht mal in den kalten Wintermonaten in diesem Gefängnis. Heute sah
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