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Requiem: Roman (German Edition)

Requiem: Roman (German Edition)

Titel: Requiem: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eoin McNamee
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und Holz, der Polizeipräsident trug volle Uniform. Ein Karrierist, dachte McCrink. Sie schüttelten sich die Hand.
    »Gratulation zu Ihrer Beförderung.«
    »Es tut mir leid, dass ich nicht gleich zu Ihnen gekommen bin.«
    »Natürlich, natürlich. War ein Notfall. Sie werden feststellen, dass Ihre Pflichten hier leicht zu erfüllen sind. Kaum Inspektionen zu machen. Allerdings hat Minister Faulkner den Wunsch geäußert, dass Sie ein Auge auf diese Pearl Gamble-Sache haben.«
    Brian Faulkner. Innenminister. Faulkners Bild im Telegraph. Gab sich weltgewandt, aber man brauchte sich bloß seinen Mund und die herabgezogenen Mundwinkel anzusehen; die Unzufriedenheit des reichen Mannes war ihm ins Gesicht geschrieben, seine unglaubliche Geringschätzung. Faulkner veranstaltete Fuchsjagden mit Hundemeuten. Er wusste, wie verkommene Stadtteile funktionierten, wusste um Grenzverschiebungen von Wahlkreisen und Schacherei um Wählerstimmen, er kannte die Skandale um Bebauungspläne, die ungeahndet blieben. Faulkner war ein reicher Unionist. Er besaß Immobilien im Osten und nahe der Grenze. Eine Aura feudalen Grolls umgab ihn. Er hatte die Geringschätzung in seinen Genen.
    »Wie sieht’s aus«, fragte Kennedy, »ein Sexualdelikt?«
    »Hat ganz den Anschein.«
    »Und was ist mit dem Mädchen?«
    »Sie verließ den Tanzball gegen 1 Uhr 30. Wir sind dabei, die Zeugen zu vernehmen.«
    »Zeugen?«
    »Den Mann, der sie gefunden hat. Leute, die bei dem Tanz waren … Von der Tat selbst gibt es keine Augenzeugen.«
    »Was sind das für Leute?«
    »Mädchen aus der Gegend. Mädchen aus den Textilfabriken. Ein paar Kleinkriminelle aus der Stadt.«
    »Mordwaffe?«
    »Keine, bisher.«
    »Ist sie misshandelt worden?«
    McCrink hatte in London gearbeitet, in der Denmark Street, in Soho und im Theaterbezirk. Gegenden, von denen es hieß, das Laster regiere sie. Er hatte tote Frauen in Seitengassen gesehen, Frauen in schäbigen Wohnungen, von ihren Liebhabern verprügelt. Er hatte eine Nutte aus Malta mit aufgeschlitzter Nase gesehen. Sexualverbrechen, fast edwardianisch anmutend, nebelverhangenes Gaslicht, Herumtreiber, die im Dunkel der Nacht arbeiten.
    »Sie war nackt. Für alle und jeden entblößt.«
    »Sonst noch was?«
    »Sie ist erstochen und erwürgt worden. Er hat nichts dem Zufall überlassen.«
    »Ich frage noch einmal. Gab es Sexualverkehr?«
    »Er hat sie nicht angerührt. Abgesehen von den Schlägen, den Messerstichen und dem Würgen. Das ist zumindest die vorläufige Erkenntnis.«
    »Ich hoffe, die Einheimischen gehen Ihnen zur Hand.«
    »Sie sagen, sie hätten schon einen möglichen Kandidaten.«
    »Das Sammeln von Beweismitteln gehört zu den Pflichten des Beamten, der die Ermittlungen leitet«, sagte Kennedy, »bisher haben Sie es nicht geschafft, die Mordwaffe oder irgendeinen Augenzeugen des Verbrechens zu finden.«
    »Entweder er hat sie gut versteckt, oder wir sind auf dem Holzweg. Vielleicht war es nicht er.«
    »Die Möglichkeit, dass der Verdächtige gescheiter ist als Sie ihm zugestehen, haben Sie scheinbar nicht Betracht gezogen. Perverse sind das oft, müssen Sie wissen.«
    Du könntest einen Perversen doch nicht mal von einem Loch im Boden unterscheiden, dachte McCrink.
    »In solchen Fällen ist ein Aufruf an die Öffentlichkeit oft wirksam, finde ich«, sagte Kennedy, »fördert den bürgerlichen Gemeinsinn.«
    »Ja, Sir.«
    »Wir müssen das Monster festnehmen«, sagte Kennedy, »ein Exempel statuieren.«
    Du bist auch so ein Exempel, dachte McCrink.
    »Sie erhalten volle Einsicht in die Akten des Special Branch, damit Sie sich mit dem Land und seinen Bewohnern vertraut machen können«, sagte Kennedy.
    In dieser Nacht blieb McCrink in der Stadt. Er schlief schlecht. Die Namen der Opfer der Londoner Nackt-Morde zogen durch seinen Kopf. Elizabeth Figg. Gwynneth Rees. Die Leichname, nackt, gottlos und ohne erkennbare Verletzungen. Der Killer, der sie sanft zu Tode bringt, ihre Leichen dann entsorgt, sie damit in seine eigene Geschichte einbindet und ihre Geschichten noch einmal erzählt. Ihre Leben verwirft. Die schäbigen Wohnungen, Geschlechtsakte auf Rücksitzen geparkter Autos. Stand alles in den Akten. Die blassen, erniedrigten Gesichter. Die Autopsieberichte vermerken Geschlechtskrankheiten, Anzeichen von Alkoholmissbrauch, mangelhafte Ernährung. Der Killer, der die Möglichkeit erkannte, dass der Tod sie zu erlösen vermochte. Die Leiche von Pearl Gamble wurde für eine vollumfängliche Autopsie ins

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