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Requiem: Roman (German Edition)

Requiem: Roman (German Edition)

Titel: Requiem: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eoin McNamee
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Belfast Telegraph mit der Story vom Mord an Pearl Gamble. Curran notierte die Resultate und musste jedes Mal, wenn er zur Tafel hinüberging, das Bild von Pearl Gamble ansehen, aber er erwähnte es mit keinem Wort. Curran hatte die Angewohnheit, Dinge im Raum schweben zu lassen.
    Nach der Hälfte des Abends entschuldigte sich Curran. Ferguson trat auf den Treppenabsatz hinaus und sah, wie Curran auf die Telefonzelle in der Eingangshalle zusteuerte. Er glaubte zu wissen, wen er anrufen wollte. Er stellte sich Curran in der Zelle vor, den schweren Bakelithörer in der Hand. Ein Apparat, um seinen Worten Gewicht zu verleihen, Moral, die sich in der Hand wiegen ließ.
    Als Curran zurückkehrte, hob er seinen Billardstock aus dem Gestell. Er sah an dem aschefarbenen Schaft mit dem Ringbeschlag aus Messing entlang.
    »Ich werde diesen Prozess übernehmen«, sagte er.
    »Denken Sie, das ist klug?«
    »Klug, Ferguson?«
    »Ein neunzehnjähriges Mädchen ist ermordet worden. Ihre neunzehnjährige Tochter ist vor neun Jahren ebenfalls ermordet worden.«
    »Wollen Sie damit Befangenheit andeuten?«
    »Die Möglichkeit von Befangenheit.«
    »Ich werde den Prozess unvoreingenommen führen.«
    »Das hab ich auch nicht bezweifelt.«
    »Was bezweifeln Sie dann?«
    Curran lehnte sich über den Tisch. Er bildete mit den Fingern seiner linken Hand eine Brücke und legte den Stock auf die Knöchel. Er studierte die Kugeln, dann spielte er die Spielkugel seitlich an, um die gelbe Kugel sanft in der Mitte anzustupsen; die Spielkugel kam am Polster neben dem rechten Loch zum Stillstand. Im Lauf der Jahre hatte Ferguson begriffen, dass der Richter an Strukturen glaubte. Daran, dass Dinge auf Plänen verzeichnet waren, dass Vorgänge einer seltsamen Kartografie unterlagen. Es gab keine Zufälle. Ferguson hatte mit Curran das Planetarium besucht. Er hatte neben ihm gesessen, während ihnen die Anordnung der Planeten erklärt worden war. Der Sprecher hatte die Bewegungen der Planeten als Tanz beschrieben, und Curran hatte sich umgedreht, um ihn anzusehen, als frage er sich, ob es tatsächlich ein Tanz sei, diese kalte Gavotte, diese nebulöse Bewegung, diese Sterne aus Asche.
    *
    Lance Currans Tochter Patricia war im November 1952 ermordet worden. Man hatte siebenunddreißig Mal auf sie eingestochen und ihre Leiche unter die Bäume an der Zufahrt ihres Hauses The Glen in Whiteabbey gelegt. Ihr Bruder und ihr Vater hatten sie gefunden. Es gab Berichte über Spannungen zwischen Patricia und ihrer Mutter Doris. Patricia war unabhängig, sie hatte in den Sommerferien vor ihrem Tod einen Job als Lastwagenfahrerin bei einem Geschäft für Baubedarf angenommen.
    Im November 1953 war Iain Hay Gordon für unzurechnungsfähig erklärt worden. Gordon hatte die Familie gekannt. Während eines Verhörs durch Inspector John Capstick von Scotland Yard hatte er gestanden, Patricia mit seinem Militärmesser umgebracht zu haben.
    Gordon war in der Nervenheilanstalt Holywell eingesperrt worden. Der Leiter der Anstalt hatte erklärt, er könne keinen Grund finden, um ihn in Gewahrsam zu behalten. 1958 war Gordon schließlich stillschweigend entlassen worden. Er war nach Glasgow zurückgekehrt und hatte seinen Namen geändert. Im Jahr 2000, achtundvierzig Jahre nach dem Schuldspruch, wurde seine Verurteilung aufgehoben. Die tyrannische Befragung durch Inspector Capstick war ein Kernpunkt bei seiner Berufung gewesen.
    Ein weiterer Punkt für die Aufhebung des Urteils betraf das Telefongespräch, das Richter Curran mit der Familie von John Steel geführt hatte, dem jungen Mann, der Patricia zum Bus begleitet hatte, welcher sie in jener Nacht vom College nach Hause bringen sollte. Steels Vater blieb dabei, dass er den Anruf um 2 Uhr 15 entgegengenommen habe und von Richter Curran gefragt worden sei, ob er Patricia gesehen habe. Es war schlüssig bewiesen worden, dass Patricias Leiche kurz vor 2 Uhr aufgefunden worden war, fünfzehn Minuten bevor der Richter in Steels Haus angerufen hatte, um zu fragen, ob sie gesehen worden sei. Diese Unstimmigkeit ist nie geklärt worden.
    Die Morde an Patricia Curran und Pearl Gamble lagen neun Jahre auseinander. Patricia war die Tochter eines Richters. Ihre Familie hatte in politischen wie juristischen Kreisen eine wichtige Stellung. Pearl war eine einfache Verkäuferin. Beide geben gleichermaßen Rätsel auf. Ein Platz in der Dunkelheit ist ihnen gewiss.

Fünf
    D ie Vernehmungen am Corry Square wurden am nächsten Morgen

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