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Requiem: Roman (German Edition)

Requiem: Roman (German Edition)

Titel: Requiem: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eoin McNamee
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Landkarten von der Gegend?«
    »Um sich hier am Ort zurechtzufinden, brauchen Sie mehr als bloß eine Landkarte.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Wissen Sie, wie man die Bewohner dieser Stadt nennt?«
    »Nein.«
    »Nyuks.«
    »Und das bedeutet was? Heißt der Akzent so?«
    Er war ihm an ihrer Aussprache aufgefallen. Die gedehnte Sprechweise des Wattenmeers, mit einer kleinen Spur Verachtung.
    »Nein. Das glauben die meisten, aber es ist ein Zigeunerwort. Slang. Es bedeutet Dieb.«
    »Die Stadt der Diebe.«
    »War lange eine Handelsstadt. Mit Märkten. Man importierte und exportierte Waren. Und die Grenze ist nicht weit entfernt. Vielleicht kommt es daher.«
    »Heutzutage wird hier aber nicht mehr groß gehandelt.«
    »Hier ist seit Jahrzehnten nichts mehr investiert worden. Der Regierung wär’s lieber, wir würden in den Kanal stürzen.«
    »Warum das denn?«
    »Vielleicht glauben sie, wir sind alle Diebe.« Sie brachte ihn in einen kleinen Raum im hinteren Teil der Bücherei. Die Landkarten lagen in Schubfächern an der Wand. Er wollte die Entfernung und das Gelände zwischen der Halle des Oranier-Ordens, McGladderys Haus und dem Schauplatz des Mordes überprüfen, ertappte sich stattdessen aber dabei, wie er den Meeresarm anstarrte, die Linien für die Untiefen und Gezeiten, die kartografierte Düsternis. Er folgte den mit Tinte eingetragenen Tiefenangaben. Die Stadt zusammengedrängt am Ende des Meeresarmes, die Gebäude und eingefriedeten Grundstücke von Hand eingezeichnet. Nyuk. Das ausgespuckte Wort, das den Seelenunterton der Stadt in sich trug. Geheime Sprachen. Das Kauderwelsch der Zigeuner. Die Stadt, die sich vom Zentrum her ausbreitete. North Street, Abbey Yard. Die finsteren Bezirke der Stadt. Die ältesten Teile der Gemeinde, die schmalen Straßen und Gassen, die sich ineinander verwoben. Margaret legte ihren Finger auf die Karte.
    »Gallows Hill. Jagt mir immer einen kalten Schauer über den Rücken.«
    Der Hinrichtungsort. Reihen von gehängten Straßenräubern, Vögel, die an ihrem Fleisch herumzerrten.
    »Stimmt es, wird man denjenigen, der es war, hinrichten?«
    »Die Todesstrafe steht immer noch in den Gesetzbüchern.«
    »Wir haben in der Schule über die Abschaffung debattiert. Thema: In einer zivilisierten Gesellschaft hat die Todesstrafe keinen Platz. Und jetzt diskutiert mal schön.«
    Die Ernsthaftigkeit in ihrer Stimme erinnerte ihn an seine Frau.
    »Die Familie Gamble würde das sicher gern mit Ihnen diskutieren.«
    »Entschuldigen Sie, ich meinte das nicht ernst. Ich hol meinen Mantel.«
    Er sah zu, wie sie in die unbeleuchtete Bücherei ging. Als sie in der Dunkelheit verschwunden war, fiel sein Blick erneut auf die Karte von Abbey Yard. Bettelmönche, eine Prozession verhüllter, singender Mönche.
    Er sah, wie sein Finger der Linie des Coal Quays folgte, wo er vor kurzem die Zigeuner gesehen hatte. Im Zwielicht biwakierend. Die Halle des Oranier-Ordens. Das Stoppelfeld. Weir’s Rock.
    »Haben Sie was gefunden?«
    Die Bibliothekarin hatte ihren Mantel angezogen.
    »Nicht viel.«
    »Die Leute vergessen, wie nahe wir der Grenze sind. Es gibt Straßen, die es gar nicht gibt. Schmuggelpfade über die Berge.«
    »Vielleicht kommt daher der Name, Stadt der Diebe. Vom Schmuggeln.«
    »Vielleicht.«
    »Schmuggler und Steuereintreiber. Die kommen über die Berge und übers Meer. Schleichhandel, den die Nacht ermöglicht.«
    »Sie sind nicht von hier.«
    »Ich stamme aus Belfast. War in London. Ich bin für meinen Job als Inspektor der Polizeibehörde zurückgekommen.«
    »Belfast? Und was machen Sie dann hier?«
    »Ich wollte einen Job zu Hause, und ich hab ihn bekommen. Man hat mich hierhergeschickt, um die Ermittlungen zu überwachen.«
    »Ach, uns muss man also überwachen?«
    Er wartete, während sie die Türen der Bücherei zuschloss und verriegelte.
    Das Scheppern und Klappern von Bolzen und Gittern, als wären auf dem leeren Platz irgendwelche düsteren Mechaniker am Werk. Er sah zu, wie sie zu ihrem Wagen ging, einem linksgesteuerten Renault. Sie blickte den Wagen an, dann ihn, ein angedeutetes Grinsen im Gesicht. Wenn er sie nach dem Wagen fragen würde, würde er eine Geschichte von Ferien in Frankreich zu hören bekommen, wie sie den Wagen hierhergebracht hatte, um sich selbst zu beweisen, wie unkonventionell sie war, ein Leben, das sich selbst verspottete. Sie erwähnte nicht, ob sie sich vor einem Mörder fürchtete. Sie stieg in den Wagen und fuhr, ohne sich umzusehen, in die

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