Reseph
warum meine Tochter und meine Söhne eine neue böse Wache haben. Weißt du, welche Regel Harvester gebrochen hat?«
Eine ganze Zeit lang starrte Raphael nur mit ausdrucksloser Miene vor sich hin. Gerade als Reavers erzengelheftige Migräne anfing nachzulassen, sagte Raphael: »Sie hat keine Regeln gebrochen. Sie wurde wegen Spionage aus ihrem Amt entfernt. Weil sie der falschen Seite geholfen hat.«
»Der falschen Seite? Du meinst,
uns
?« Raphael musste sich irren. »Wie?«
»Indem sie gewisse Ereignisse manipuliert hat.«
Jetzt war es Reaver, der vor sich hinstarrte. »Ich … ich versteh das nicht. Sie ist doch diejenige, die den Vermerk geschrieben hat, den die Aegis später fand. Den, durch den Thans Siegel brechen würde, wie Pestilence glaubte.«
Der Erzengel neigte den Kopf zu einem kurzen Nicken. »Aber sie wusste, dass Sex Thans Siegel keineswegs brechen würde. Sie tat es, damit ein Kind gezeugt würde. Ein Kind, das die Apokalypse beenden könnte, wenn alles gutging, und sie glaubte fest daran, dass die Reiter herausfinden würden, wie sie Pestilence aufhalten könnten.«
In Reavers Kopf drehte sich alles, was bei seinen Kopfschmerzen nicht gerade hilfreich war. »Aber warum sollte sie das tun?«
»Weil sie eine Spionin war.«
»Eine … Spionin?«, wiederholte Reaver ungläubig. »Wie lange schon?«
»Von Anfang an«, erwiderte Raphael mit einer Nonchalance, als ob diese Information schon lange allgemein bekannt wäre. »Wir haben uns eine Geschichte ausgedacht, dass sie begonnen hatte, Menschen zum Vergnügen zu töten, doch in Wirklichkeit fiel sie, um die höchsten Kreise in Sheoul zu infiltrieren und sich zum Amt der sheoulischen Wache hochzudienen.«
»Aber wieso? Warum sollte sie so viel aufgeben, um ein gefallener Engel zu werden?«
Raphael schüttelte den Kopf und verdrehte die Augen, womit er Reaver verriet, was er von Harvesters Gründen hielt. »Sie hat über deine Kinder gewacht, lange bevor sie zu den Reitern wurden. Sie hat sogar Reseph von einem Feuer gerettet, das ihn getötet hätte. Sie liebte sie.«
Das Ganze wurde immer unglaublicher. »Und wo war ich?«, fragte Reaver. »Warum habe ich nicht über meine Kinder gewacht?«
»Das spielt keine Rolle«, entgegnete Raphael. Sein Ton machte deutlich, dass Reaver keine Antworten zu seiner Vergangenheit erhalten würde. »Wichtig ist nur, dass Harvester eine Spionin war und dass sie der Welt einen großen Dienst erwiesen hat.«
Reaver streckte hastig die Hand aus, um sich an einer Säule abzustützen, ehe er noch umfiel. »Warum hat sie mir das denn nicht gesagt? Warum hat mir das niemand erzählt?«
»Wir konnten es nicht riskieren, dass irgendjemand Bescheid wusste. Jeder Ausrutscher hätte eine Gefahr dargestellt.« Raphaels Miene verdüsterte sich vor Zorn. »Bedenke nur, was Gethel getan hat.«
Er erinnerte sich, wie er Gethel überrascht hatte, während sie Harvester mit
treclan
-Spießen bearbeitete. Ihm stockte der Atem. »Gethel hat Harvester gefoltert. Sie hatte einen Verdacht, nicht wahr?«
»Höchstwahrscheinlich. Ich bin mir fast sicher, dass es Gethel war, die Harvester bei den Machthabern von Sheoul verraten hat.«
Ach, verdammt. Harvester hatte versucht, Reaver zu warnen, hatte ihm gesagt, dass Gethel nicht bei Sinnen sei. Damit hatte sie nicht nur Gethels unrechtmäßige Folter gemeint. Sie hatte ihm sagen wollen, dass Gethel wahnsinnig war und vielleicht sogar für die falsche Seite tätig, wenn sie Harvester folterte, um einen Beweis zu erlangen, dass Harvester zu den Guten gehörte.
Hatte Gethel überhaupt jemals die Wahrheit gesagt?
»Gethel sagte mir, dass Harvester Satans Geliebte und nur gefallen sei, um mit ihm zusammen sein zu können. Wie passt das zu allem anderen?«
Raphaels Augenbrauen schossen in die Höhe. »Das hat sie dir gesagt? Gethel hat wirklich einfach zu gerne mit dir gespielt, nicht wahr?«
»Das hätte sie nicht gekonnt, wenn ich noch meine Erinnerungen hätte«, murrte Reaver. »Dann hat Harvester also nicht heimlich mit Satan geschlafen?«
Raphael lachte. Er
lachte
. »Das hoffe ich nicht. Er ist ihr Vater.«
Vater? Heilige … Scheiße. Reavers Stimme klang leicht erstickt, als er wieder sprach. »Und was tun wir jetzt?«
»Wir suchen Gethel und vernichten sie.«
Nur zu gerne. »Und Harvester?«
»Die ist für uns verloren.«
Ein unerwarteter Stich schlechten Gewissens traf Reaver in die Brust. »Sie ist tot?«
Raphael zuckte mit den Achseln. »Wir haben den Kontakt
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