Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Reseph

Reseph

Titel: Reseph Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Larissa Ione
Vom Netzwerk:
aber Reseph hatte nichts davon verdient. Was er allerdings verdient hatte, war der K.-o.-Schlag, den Arik ihm verpasst hatte, ehe Limos den Menschen fortzerren konnte.
    Genauso wenig begriff er, warum er dort war. Thanatos hatte ihn getötet – wie konnte er also am Leben sein?
    Dann waren da noch diese anderen Erinnerungen; die, bei denen er sich nicht sicher war, ob sie tatsächlich real waren.
    Jillian.
    Er blinzelte. Langsam wurde ihm bewusst, dass er zusammengerollt auf dem Boden lag. Er wusste nie, wo er sich befinden würde, wenn er wieder zu sich kam, oder wie zerschmettert sein Körper sein würde. Auch war er nicht sicher, ob die Zeiten, in denen er bei klarem Verstand war, besser waren als die, in denen Erinnerungen auf ihn einprasselten, die ihn aus der Gegenwart fortholten. Wenn er von den Erinnerungen an seine Untaten gequält wurde, musste er zumindest nicht den Leuten ins Gesicht sehen, denen er sie angetan hatte.
    Er hatte versucht, sich bei ihnen zu entschuldigen, aber nachdem Harvester ihn verprügelt und Arik ihm ins Gesicht geschlagen hatte, von Thanatos’ versengenden Blicken reinen Hasses ganz zu schweigen, hatte Reseph es aufgegeben. »Es tut mir leid« war mehr als lahm, ja, angesichts der Schwere seiner Sünden geradezu eine Beleidigung.
    Und Jillian … waren die Tage, die er mit ihr verbracht hatte, in denen er sie geliebt und Frieden gefunden hatte, nur ein Hirngespinst? Ein Traum, durch den die Albträume umso schlimmer erschienen? Vielleicht spielte ihm sein Gewissen Streiche, denn selbst wenn die Tage mit Jillian ihm wie ein Traum erschienen, so war sie selbst sehr real.
    »Tötet mich«, flüsterte er durch eine Kehle, die vom Schreien wund war. »Bitte … tötet mich.«
    Aber es war niemand da, der ihn hören konnte. Sogar Harvester, die sich an seinen Qualen ergötzt hatte, hatte ihn verlassen, nachdem sie ihm Fesseln angelegt hatte. Ihm waren die Fesseln gleichgültig. Er hatte sowieso nicht vor, diesen Ort zu verlassen. Außerdem zerrte er manchmal an den Ketten, nur um den stechenden Schmerz zu fühlen, der dann durch seine Knochen schoss und bis in seine Seele reichte.
    Wie lange mochte es wohl her sein, seit sie ihn angekettet hatte? Er erinnerte sich an ein paar Nächte, ein paar Sonnenaufgänge.
    Leide, du Mistkerl. Leide, wie noch nie jemand gelitten hat
, hatte sie ihm zugeflüstert, ehe sie eine Blutspur aufgeleckt hatte, die von seinem Gesicht bis an sein Ohr reichte.
Wenn es dich überhaupt interessiert, solltest du wissen, dass du keineswegs frei von Pestilence bist. Schon der kleinste Splitter Bösartigkeit könnte dich in ihn zurückverwandeln. Oh, nicht im apokalyptischen Sinne, aber du könntest wieder zu dieser widerwärtigen Kreatur werden, sollte das Böse die dämonische Hälfte anzapfen, die erwachte, als dein Siegel brach. Bildest du dir ein, du würdest gerade leiden? Verwandle dich in Pestilence zurück und sieh zu, wie deine Brüder und deine Schwester dich jagen, bis sie dich schließlich vernichten.
    Harvesters Worte klangen ihm immer wieder in den Ohren, als er in den Schlund der Erinnerungen zurücksank, der von Grauen und Abscheu getränkt war.
    »Setzt meinem Leben ein Ende«, flüsterte er.
    Aber niemand hörte ihn.

22
    Limos stand nun schon den sechsten Tag in Folge in Ares’ großem Wohnzimmer, biss sich auf die lindgrün lackierten Fingernägel und starrte in den Korridor vor Resephs Zimmer. In der letzten Stunde waren seine Schreie stetig lauter geworden. Sie sollten bald zum Höhepunkt kommen; danach würde eine Zeit leisen Wimmerns folgen, während der er den Oberkörper vor und zurück wiegte und blind vor sich hinstarrte.
    »Es geht ihm immer noch nicht besser.« Sie drehte sich zu ihren Brüdern, ihrem Mann und Kynan um. »Wir können ihn nicht weiter so leiden lassen.«
    Ares schloss eine Sekunde lang die Augen, das Gesicht an die Decke gerichtet. »Niemand will, dass Reseph leidet, Limos.«
    »Ach, wirklich? Das nehm ich euch nicht ab. Thanatos sieht ihn jedes Mal voller Mordlust an, wenn wir zu ihm reingehen.«
    Than, der im Zimmer auf- und abmarschierte, hielt inne. »Ich will auch nicht, dass er leidet. Ich kriege nur das, was er getan hat, einfach nicht aus dem Kopf.«
    »Aber das da drin ist nicht Pestilence«, widersprach Limos. »Es ist Reseph. Wir müssen etwas tun, um ihm zu helfen.«
    »Was schlägst du vor?«, fragte Ares. »Er hört auf niemanden von uns. Er isst nicht, trinkt nicht, und als ich heute versucht habe, ihn

Weitere Kostenlose Bücher