Resident Evil - Sammelband 02 - Der Umbrella-Faktor
Simplizität der Wahrheit – und sie musste es einfach versuchen, musste versuchen, ihnen die Augen zu öffnen. Es war Williams Arbeit. Es war seine Hinterlassenschaft, und jetzt gehörte es ihr – sie hatte das schon zuvor gewusst, aber erst jetzt wusste sie es, es war ein Lichtstrahl in ihrem Geist, der alles andere belanglos machte.
Nicht ihnen. Mir.
Sie musste sie finden, es ihnen sagen, und wenn sie die Wahrheit einmal akzeptiert hatten, würden sie sie in Ruhe lassen müssen – und dann, wenn dann noch Zeit blieb, würde sie ihrer Wege gehen können.
Aber erst einmal brauchte sie noch eine Injektion. Lächelnd, die Augen groß und stier, stieg Annette über den Lecker hinweg und ging zur Treppe.
Leon glaubte, Schüsse gehört zu haben.
Er befand sich in einer Art Operationssaal, dem ersten Raum am Ende des ersten Ganges, den er genommen hatte, nachdem Ada hinter ihm zurückgeblieben war. Er sah von dem Haufen zerknüllter Papiere auf, die er gefunden hatte, horchte – aber das ferne Krachen wiederholte sich nicht, und so widmete er sich wieder seiner Suche. Rasch durchblätterte er die Seiten, in der verzweifelten Hoffnung etwas anderes zu finden als endlose Listen mit Zahlen und Buchstaben unter dem Umbrella-Briefkopf.
Komm schon, irgendwo in all dem Zeug muss doch auch was Nützliches stehen …
Er wollte raus , er wollte Ada holen und verdammt noch mal hier raus . Der ausgeweidete Leichnam, der verkrümmt in der Ecke lag, war schon Grund genug, aber es war mehr als nur das – mit der Luft in diesem Raum, im Gang draußen vor dem Raum und, darauf hätte er gewettet, in jedem anderen Raum dieser Einrichtung stimmte etwas nicht. Sie stank nach Tod, aber schlimmer noch, die Atmosphäre war geprägt von etwas noch Dunklerem, etwas Amoralischem – etwas Bösem.
Hier wurden Experimente durchgeführt, sie haben Tests vorgenommen und weiß Gott was noch – und sie haben eine Zombieseuche kreiert, den monströsen Dämon, der Ada angriff, sie haben eine ganze Stadt umgebracht. Was immer sie auch zu tun vorhatten , sie haben das Böse praktiziert.
Das Böse im ganz großen Stil. Die Transportvorrichtung hatte sie in eine geheime Umbrella-Anlage gebracht, und die war groß. Anhand der Zahlen an den Wänden wusste Leon, dass er sich auf der vierten Etage befand, was immer das auch hieß – und der Laufsteg, den er genommen hatte, um zu diesem seltsamen Operationsraum zu gelangen, eines von drei zur Wahl stehenden Zielen, hatte sich über zwanzig oder fünfundzwanzig Meter offenen Raumes erstreckt. Der Boden darunter verlor sich im Dunkeln. Er wusste nicht, wie tief er und Ada vorgedrungen waren, und es war ihm im Grunde auch egal; was er wollte, war eine Karte, so eine wie Ada sie in der Kanalisation gefunden hatte, ein klares, einfaches Diagramm mit einem Pfeil, der auf Ausgang zeigte.
Aber hier ist nichts dergleichen …
Enttäuscht schob Leon die nutzlosen Papiere beiseite – und sah eine Computerdisk auf dem Stahltisch, die unter dem Stapel von Ausdrucken verborgen gelegen hatte. Er nahm sie auf und runzelte die Stirn. „Für Frachtraum-Verifikation“, stand in verschmierten Druckbuchstaben auf dem Etikett.
Seufzend ließ Leon die Disk in seine Tasche rutschen und rieb mit der rechten Hand seine schmerzenden Augen; sein linker Arm war nun praktisch wieder nutzlos, nachdem er Ada aus dem Aufzug getragen hatte. Er wollte nicht nach einem Computer suchen, um nachzusehen, was auf der Disk war, er wollte nicht von Raum zu Raum marschieren und nach dem Ausgang fahnden, nur um zu sehen, mit was für Grausamkeiten Umbrella herumgespielt hatte, bevor sie den Laden dichtgemacht hatten. Er war müde, er hatte Schmerzen und er sorgte sich um Ada …
Auf dem Weg zur Tür beschloss er zurückzugehen, um mit ihr zu reden. Er wollte sie beruhigen, wollte ihr sagen, dass er den Weg hinaus finden würde, aber diese Anlage war einfach zu verflucht groß; wenn sie wenigstens die Richtung wüsste oder sich an die Etagennummer erinnern könnte …
Leon öffnete die Tür, trat hinaus auf den Gang –
– und vor ihm stand eine Frau und richtete eine Neunmillimeter auf seine Brust. Die Unbekannte blutete. Dünne, rote Ströme liefen von einem ihrer Arme herab und tropften auf den schmutzig weißen Laborkittel – und ihre Miene, der seltsame, großäugige, gläserne Ausdruck, der über ihre Züge spielte, sagte ihm, dass es eine sehr schlechte Idee wäre, irgendeine plötzliche Bewegung zu machen.
Jesus, wer ist
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