Resident Evil - Sammelband 03 - Im Netz der Verraeter
musste. Welch eine Ironie, dass ein Mann mit so viel Geld und Macht so blind für die Realität sein konnte, die er selbst zu erschaffen mitgeholfen hatte.
Am frühen Abend, nach einer letzten Prüfung der Spürhund-Berichte, fand Trent endlich ein wenig Zeit für sich selbst. Mit einer Tasse Kaffee trat er auf den Balkon des Apartments hinaus, das er bewohnte, wann immer er in DC zu tun hatte. Die kühle Dämmerung war belebend nach einem Tag im Wirkungskreis von Klimaanlagen und Neonlicht.
Aus einer Höhe von zwanzig Stockwerken schien die Stadt unwirklich, Geräusche waren weit fort und Umrisse verschwammen. Ohne seinen Blick auf etwas Bestimmtes zu richten, nippte Trent an seinem Kaffee und dachte über all das nach, was er in den vergangenen paar Tagen in der abgeschirmten Privatsphäre seines Zuhauses mitverfolgt hatte. Umbrellas wenige Dutzend stationäre Anlagen in Raccoon hatten nichts über den Piratensatelliten angezeigt, der Informationen zu Trents privatem Beobachtungsraum übertrug. Wie auch immer, er hatte etliche der Dramen mitverfolgen können, die sich in den letzten Stunden der Stadt ereigneten.
Da waren dieser junge Polizist, Kennedy, und Chris Redfields Schwester gewesen – die beiden war der Explosion des Labors knapp entronnen und hatten es sogar geschafft, ausgerechnet Sherry Birkin zu retten, die Tochter eines der leitenden Wissenschaftler von Umbrella. Trent hatte mit keinem von ihnen in Kontakt gestanden, aber er wusste, dass Leon Kennedy und Claire Redfield in den Kampf eingeschritten waren. Sie waren jung, entschlossen und vom Hass auf Umbrella erfüllt – mehr konnte er sich nicht wünschen.
Die hohen Erwartungen, die Trent in Carlos Oliveira setzte, hatten sich erfüllt, und dass er sich mit Jill Valentine zusammengeschlossen hatte … nun, Trent hatte ihre Flucht wie gebannt mit angesehen und war froh, dass zwei seiner ahnungslosen Soldaten so gut zusammengearbeitet und am Ende überlebt hatten, und das trotz Jills Infektion, trotz des wahnsinnigen Russen und des S. T. A. R. S.-Jägers. Der Nutzen experimenteller tyranten-artiger Einheiten wurde von vielen White-Umbrella-Forschern noch immer in Frage gestellt – so tödlich effizient sie für gewöhnlich auch sein mochten, waren sie doch auch sehr teuer – , und Trent wusste, dass die Debatten darüber weitergehen würden, noch geschürt sogar vom Verlust zweier Einheiten im Rahmen der Vernichtung Raccoons.
Ada Wong jedoch …
Trent seufzte. Er wünschte, sie hätte überlebt. Die hochgewachsene, schöne asia-amerikanische Agentin, die er hineingeschickt hatte, war ebenso brillant wie kompetent gewesen. Er hatte sie zwar nicht sterben sehen, aber die Chance, dass sie sowohl der Explosion des Labors als auch der vollständigen Auslöschung von Raccoon entgangen sein könnte, musste als verschwindend gering erachtet werden. Leider – gelinde ausgedrückt.
Insgesamt jedoch war Trent zufrieden damit, wie die Dinge sich entwickelten. So weit er es sagen konnte, hatte niemand in der Firma auch nur den leisesten Verdacht, wer er wirklich war und was er tat. Die drei mächtigsten Männer Umbrellas verließen sich von Tag zu Tag mehr auf ihn und hatten keine Ahnung von seiner Agenda, die darin bestand, die Organisation zu vernichten, von außen und von innen, das Leben ihrer Führer zu zerstören und sie vor Gericht zu schleifen – und eine Elite-Armee aus Männern und Frauen aufzubauen, die sich dem Sturz Umbrellas verpflichtet sah, und diese bei der Erfüllung dieser Aufgabe so weit wie möglich zu führen.
Mochten seine Methoden auch kompliziert sein, so waren seine Beweggründe doch simpel: Er wollte den Tod seiner Eltern rächen. Beide Wissenschaftler waren ermordet worden, als er noch ein Kind war, damit Umbrella von ihren Forschungsergebnissen profitieren konnte …
Trent lächelte in sich hinein und nippte wieder an seiner Tasse. Es klang so melodramatisch, so grandios. Dabei war es fast dreißig Jahre her, dass seine Eltern bei dem angeblichen Laborunfall lebendigen Leibes verbrannt worden waren. Er hatte den Schmerz schon vor langem hinter sich gelassen – sein Entschluss jedoch war nie ins Wanken geraten. Er hatte seinen Namen und seinen Lebenslauf gefälscht und alle Hoffnung fahren lassen, jemals ein normales Leben zu führen – und er bereute es nicht, nicht einmal jetzt, da er mitverantwortlich war für den Tod so vieler.
Es wurde dunkel. In der Tiefe flackerten Straßenlaternen auf und sandten ein sanftes
Weitere Kostenlose Bücher