Resturlaub
Steffi geschockt und machte sich wieder älter.
»Im Ernst«, bekräftigte ich. Ich fand meine Elektrobullen-Idee nämlich hervorragend und sah vor meinem inneren Auge schon ein paar ältere Hochzeitsgäste mitsamt Filzhut vom Plastikbullen fliegen.
»Bullriding? Vor der Kirche? Des könnt ihr net machen!« Kopfschüttelnd legte Steffi den Stift beiseite.
»Warum?«, fragte ich.
»Na, weil des geht echt net!«
Da war sie wieder, die fränkische Argumentationskette, die mir seit einigen Jahren das Leben schwer machte: dass man was nicht machen kann, weil das echt nicht geht. Ich hörte es im Büro, bei Biene, bei meinen Eltern, bei meinen Freunden und vermutlich würde es bald einen Gesetzentwurf der Bezirksregierung geben, der jeden, der etwas machte, was man nicht machen konnte, weil das echt nicht ging, zu einer Geldstrafe verknackte, »die wo er voll verdient hat!«
Vor der Tür hupte es zweimal kurz.
»Ich muss!«, sagte ich erleichtert, verabschiedete mich mit einem Kuss von Biene und einem »Pommes juchee« von Steffi. Dann rauschte ich die Treppe runter und stieg in Jasons klimatisierten Ami-Pick-up.
Korruption
WENN ICH MEINEN FREUND JASON beschreiben soll, dann sage ich immer, dass er bei jedem John-Travolta-Lookalike-Contest garantiert in die letzte Runde kommen würde. In diesem Sommer trug Jason seine Haare im Grease-Look der späten 50er, was vermutlich eine leicht verzögerte Reaktion auf seine Zeit bei der US-Armee war. Er zeigte sich fast ausnahmslos in weißen T-Shirts und Bluejeans, mit grauen Vans-Turnschuhen und schwarzer Lederjacke. Nur heute lag seine Jacke wegen der Hitze auf der Rückbank neben Checko, der mit höchster Konzentration auf einer mobilen Playstation herumhackte und mit seinem rechten Daumen irgendwelchen virtuellen Monstern ins Auge piekste.
»Und wie?«, begrüßte ich Jason, als ich in den Pick-up sprang.
»Holber hie!«, antwortete er lachend, was so viel bedeutete wie »halb hinüber«.
Es war der erste deutsche Satz, den ich Jason beigebracht hatte, damals, als er noch in der Army war und öfters alleine ins Seppelpeter's ging, um mit Deutschen ins Gespräch zu kommen. Schon als Soldat fand Jason Bamberg nämlich einfach »absofu-ckinglutely gareat«, war vor allem fasziniert von den Menschen, die im Sommer seelenruhig ihr Bier aus kalten Steinkrügen in schattigen Biergärten tranken und so viel Ruhe und Beständigkeit ausstrahlten. Als Jason die Army schließlich verließ, nahm er einen Traum mit in die Staaten: eines Tages als Zivilist zurückzukehren, richtig Deutsch zu lernen und vielleicht ein nettes Mädchen zu finden, das ihn heiraten würde. Nun, richtig Deutsch hat er nie gelernt und so spricht er jetzt eine seltsame Mischung aus Fränkisch und Englisch. Doch den Rest hat er geschafft: Nach einem ziemlich schweren ersten Jahr, in dem er sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser hielt, fand er seine
Miriam, heiratete, wurde Vater und Pächter der Tennishalle Strullendorf. Ja, auch Jason hat mittlerweile eine Kiesauffahrt. Sie liegt direkt neben Platz 3. Man kann sich eben auch überintegrieren.
Wir fuhren in die Kaserne der US Army, wo wir den Elektrobullen abholen wollten. Jason hatte seinen Malle-Mix aufgelegt und aus den Lautsprechern dröhnte uns der »König von Mallorca« entgegen. Checko und Jason mochte es in Stimmung bringen für den kommenden Urlaub, bei mir erreichte das Lied das Gegenteil. Und als wäre Jürgen Drews nicht schon die in Haarlack gegossene Bedrohung unserer Kulturlandschaft, sangen Checko und Jason auch noch mit. »Ich bin der König von Mallorca, ich bin der Prinz von Arenal, ich hab zwar einen an der Krone ...«
Ich ließ mir Checkos Playstation geben und piekste drei Monstern ins Auge.
»Wir sind doch wieder im El Corazon dieses Jahr, oder?«, fragte Checko, der so ganz ohne Playstation in der Hand plötzlich redselig wurde. Ich wusste, wie ich ihm mit einem einfachen Trick das blanke Entsetzen ins Gesicht meißeln konnte.
»Nee, Checko, dieses Jahr sind wir auf der anderen Seite der Insel, im El Aburrido!«
Im Rückspiegel erstarrte Checkos Gesicht in atemloser Fassungslosigkeit. »Des ist jetzt net dein Ernst, oder?«
»Doch!«
»Ja, aber ., ich mein . warum?«
»Mann Checko, beruhig dich! Wir sind im El Corazon!«, löste Jason meinen kleinen Scherz auf. Erst nach einigen Sekunden brachte Checko ein beleidigtes »Männo!« zustande, so musste ich ihn erschrocken haben, »ich hab jetzt echt gedacht, wir sind
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