Rette mich vor dir
und keiner glaubt einem –«
»Spinnst du?« Ich bleibe mitten in der Küche abrupt stehen und starre Kenji ungläubig an. »In den zwei Wochen, die ich hier bin, hast du vielleicht einmal mit mir gesprochen. Ich kriege dich kaum noch zu Gesicht.«
»Also, Moment mal«, sagt er. »Wir wissen doch beide, dass du all das hier«, er weist auf sich, »nicht übersehen kannst. Wenn du also Spielchen mit mir spielen willst, kann ich dir gleich sagen: Das läuft nicht.«
»Was?« Ich runzle die Stirn. »Wovon redest du überh–«
»Du kannst nicht vor mir flüchten, Mädchen.« Er zieht eine Augenbraue hoch. »Ich kann dich ja nicht mal anfassen . Ziemlich spezielle Situation, wenn du weißt, was ich meine.«
»Großer Gott«, murmle ich kopfschüttelnd. »Du bist doch völlig verrückt.«
Er fällt auf die Knie. »Verrückt nach deiner betörenden Liebe!«
» Kenji!« Ich halte den Blick lieber weiterhin gesenkt, weil ich dann die Reaktion der anderen besser ignorieren kann. Aber ich will unbedingt, dass er mit diesem Unsinn aufhört und mich in Ruhe lässt. Ich weiß, dass er scherzt, aber woher sollen das die anderen wissen.
»Was?«, ruft er laut aus. »Meine Liebe ist dir peinlich?«
»Bitte – bitte steh jetzt auf – und sprich leiser –«
»Wieso sollte ich?«
»Wieso denn nicht?«, erwidere ich entnervt.
»Wenn ich leiser spreche, kann ich mich selbst nicht mehr sprechen hören«, antwortet er. »Und das ist mein Lieblingspart.«
Ich kann ihn nicht mal anschauen.
»Weise mich nicht ab, Juliette. Ich bin ein einsamer Mann.«
»Was zum Teufel stimmt nicht mit dir, Kenji?«
»Was stimmt nicht mit dir ?«
»Du brichst mir das Herz.« Er spricht jetzt noch lauter und fuchtelt dabei traurig mit den Armen. Ich weiche panisch zurück. Und dabei fällt mir auf, dass alle ihn beobachten.
Amüsiert.
Ich lächle verlegen, als ich mich im Raum umschaue, und stelle erstaunt fest, dass man das Interesse an mir verloren hat. Die Männer sind belustigt von Kenjis Theater und grinsen, und im Blick der Frauen liegt Bewunderung und noch etwas anderes.
Auch Adam beobachtet die Szene. Er hält sein Tablett in Händen und sieht verwirrt aus. Als er meinen Blick auffängt, lächelt er zögernd.
Ich gehe auf ihn zu.
»Hey – warte mal, Mädel.« Kenji springt auf und packt mich am Arm. »Du weißt doch, dass ich nur –« Er blickt auf Adam und schlägt sich an die Stirn. » Natürlich! Wie konnte ich das vergessen! Du bist ja in meinen Zimmergenossen verliebt!«
Ich drehe mich zu ihm um. »Hör zu, Kenji, ich bin froh, dass du mir jetzt beim Training hilfst – wirklich. Und ich danke dir dafür. Aber du kannst hier nicht herumhampeln und verliebt spielen, vor allem nicht vor Adam. Und du musst mich zu ihm lassen, bevor die Frühstückszeit vorbei ist, okay? Wir können uns nur selten sehen.«
Kenji nickt langsam und ernsthaft. »Du hast Recht. Verstehe. Tut mir leid.«
»Danke.«
»Adam ist eifersüchtig auf uns«, bemerkt Kenji.
»Nun geh schon essen!« Ich unterdrücke ein hysterisches Lachen und schubse ihn weg.
Kenji gehört zu den wenigen hier außer Adam, die keine Scheu haben, mich zu berühren. Solange ich den Anzug trage, hat ohnehin niemand etwas zu befürchten. Aber beim Essen ziehe ich manchmal die Handschuhe aus. Und mein Ruf eilt mir eben voraus, die Leute bleiben auf Abstand. Kenji dagegen hat keine Angst vor mir, obwohl ich ihn sogar einmal versehentlich angegriffen habe. Ich glaube, um Kenji kleinzukriegen, bräuchte es irgendwelche enormen Horrorkräfte.
Das bewundere ich an ihm.
Adam spricht wenig, als wir dann zusammen sind. Er sagt nur »Hey«, und mehr ist auch nicht nötig, denn seine Mundwinkel wandern nach oben, und seine Haltung wird unwillkürlich aufrechter in meiner Nähe. Und wenn ich auch wenig weiß über die Welt, so kann ich doch das Buch in seinen Augen lesen.
Wie er mich ansieht.
Da ist eine Schwere in seinen Augen, die mir Sorgen macht, aber sein Blick ist dennoch so zärtlich, so offen und gefühlvoll, dass es mir schwerfällt, mich nicht in seine Arme zu werfen, sobald ich ihm nah bin. Ich beobachte jede simple Geste – wie er sich aufrichtet, sein Tablett balanciert, jemandem zunickt –, damit mir keine Bewegung seines Körpers entgeht. In den wenigen Momenten, die wir zusammen verbringen können, stockt mir oft der Atem, und mein Herz ist unruhig. Adam bringt mich vollkommen aus dem Tritt.
»Alles in Ordnung?«, frage ich, noch immer etwas beunruhigt wegen
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