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Rette mich vor dir

Rette mich vor dir

Titel: Rette mich vor dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tahereh H. Mafi
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flüstert Kenji. »Ich weiß, dass das schwer sein muss.«
    »Alles gut«, erwidert Adam. »Alles gut. Gehen wir.«
    »Okay.«
    Wir sind eine menschliche Kette.
    Adam und ich flankieren Kenji, und er hält uns beide an der Hand und führt uns durch die Ödnis. Ich habe keine Ahnung, wo wir sind. Habe so viel Zeit in Isolation zugebracht, während meine Welt zerstört wurde, dass ich nahezu orientierungslos bin.
    Nach einer Weile nähern wir uns der Hauptstraße und den Siedlungen. Ich kann schon die kastenförmigen Stahlbauten erkennen.
    Kenji bleibt abrupt stehen.
    Sagt nichts.
    »Warum gehen wir nicht weiter?«, frage ich.
    »Hört ihr das?«, flüstert Kenji.
    »Was denn?«
    Adam saugt scharf die Luft ein. »Scheiße. Da kommt jemand.«
    »Ein Panzer«, stellt Kenji klar.
    »Und nicht nur einer«, sagt Adam.
    »Warum stehen wir dann noch hier –«
    »Warte, Juliette –«
    Und dann sehe ich sie. Mehrere Panzer auf der Hauptstraße. 6 an der Zahl.
    Kenji flucht leise.
    »Was hat es damit auf sich?«, frage ich.
    »Es gab immer nur einen Grund, wenn Warner mehr als zwei Panzer zusammen losschickte«, erklärt Adam.
    »Was –«
    »Sie bereiten sich auf einen Kampf vor.«
    Ich keuche erschrocken auf.
    »Er weiß es«, sagt Kenji. »Verflucht! Natürlich weiß er es. Castle hatte Recht. Der Oberste weiß, dass wir mit Verstärkung kommen. Scheiße .«
    »Wie viel Uhr ist es, Kenji?«, frage ich.
    »Wir haben noch knapp fünfundvierzig Minuten.«
    »Dann beeilen wir uns lieber«, sage ich. »Wir haben keine Zeit, um uns Sorgen zu machen über die Zeit danach. Castle ist vorbereitet – er hat das vorhergesehen. Es wird schon gut gehen. Aber wenn wir nicht rechtzeitig am Treffpunkt sind, werden Winston und Brendan und die anderen heute vielleicht umgebracht.«
    »Könnte uns auch passieren«, erwidert Kenji.
    »Ja. Schon möglich«, sage ich.
    Wir bewegen uns jetzt schnell und geräuschlos vorwärts. Nähern uns den Resten der Zivilisation und kommen schließlich zu einer verlassenen Siedlung, die schmerzhaft vertraut auf mich wirkt: kleine Häuser mit kleinen quadratischen Vorgärten. Aber alles ist längst verwildert und mit Unkraut überwuchert. Das dürre gefrorene Gras knirscht unter unseren Füßen, eisig und harsch.
    1542 Sycamore.
    Wir haben es gefunden. Es ist nicht zu übersehen.
    Das einzige Haus in der Straße, das noch intakt wirkt. Frisch gestrichen in einem schönen hellen Blau. Eine kleine Treppe führt zur Veranda, auf der 2 weiße Schaukelstühle und eine große Pflanzschale mit leuchtend bunten Blumen stehen. Vor der Tür liegt eine Fußmatte, ein Windspiel hängt von einem Balken. In einer Ecke Blumentöpfe. Eine Welt, die es für uns nicht mehr geben kann.
    Hier wohnt jemand.
    Unglaublich, dass so etwas noch existiert.
    Ich ziehe Kenji und Adam zu dem Haus, überwältigt von Gefühlen. Vergesse beinahe, dass es uns nicht mehr gestattet ist, in dieser schönen alten Welt zu leben.
    Jemand zerrt mich zurück.
    »Das ist nicht das richtige Haus«, sagt Kenji. »Wir sind in der falschen Straße. Scheiße . Es ist zwei Straßen weiter –«
    »Aber dieses Haus – es ist – ich meine, Kenji, hier wohnt jemand –«
    »Nein«, erwidert er. »Hier wohnt niemand. Vermutlich eine Falle für uns oder für Leute, die in Sperrzonen herumstreifen. Los, komm schon«, er zieht mich weiter, »wir müssen uns beeilen. Wir haben nur noch sieben Minuten!«
    Wir rennen los, aber ich muss mich noch einmal umdrehen. Vielleicht gibt es doch ein Anzeichen von Leben. Vielleicht kommt jemand heraus, um die Post zu holen. Oder um einem Vogel nachzublicken.
    Wahrscheinlich bilde ich es mir ein.
    Oder ich bin nun doch wahnsinnig geworden.
    Aber ich hätte schwören können, dass sich im ersten Stock ein Vorhang bewegt hat.

33
    Noch 90 Sekunden.
    Das echte Haus Nummer 1542 in der Sycamore Street ist so heruntergekommen, wie ich es erwartet hatte. Halb verfallen, seit Jahren vernachlässigt. Wir spähen vorsichtig um die Straßenecke, obwohl wir immer noch unsichtbar sind. Nirgendwo ein Mensch zu sehen, und das Haus wirkt verlassen. Ich beginne mich zu fragen, ob das Ganze nicht vielleicht ein absurder Scherz ist.
    75 Sekunden.
    Mir kommt plötzlich eine Idee. »Bleibt weiter unsichtbar«, sage ich zu Kenji und Adam. »Er soll denken, dass ich alleine bin. Und wenn irgendwas schiefläuft, kommt ihr mir zu Hilfe.«
    Die beiden schweigen einen Moment.
    »Verdammt gute Idee«, sagt Kenji dann. »Hätte ich selbst drauf kommen

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