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Rette mich vor dir

Rette mich vor dir

Titel: Rette mich vor dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tahereh H. Mafi
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nicht, schmecke das Essen nicht, kann nichts klar erkennen und mich nicht auf die Dinge konzentrieren, die man mir sagt. Ich kann nur an all die künftigen Opfer des Krieges denken und an Warners Lippen auf meinem Hals, seine Hände auf meinem Körper, den Schmerz und die Leidenschaft in seinen Augen und die vielerlei Arten, auf die ich heute zu Tode kommen könnte. Ich denke nur an Warner, an seine Berührungen, Küsse, die quälenden Verheißungen seines Herzens Adam, der neben mir sitzt und nicht weiß, was ich getan habe.
    Nach dem heutigen Tag wird das vielleicht auch keine Bedeutung mehr haben.
    Vielleicht komme ich um, und dann waren all die Qualen der letzten 17 Jahre umsonst. Vielleicht verschwinde ich für immer vom Angesicht dieser Erde, und all meine jugendlichen Ängste werden nur noch ein lachhafter Nachgedanke sein, eine alberne Erinnerung.
    Aber vielleicht überlebe ich auch.
    Vielleicht überlebe ich und muss mich mit den Folgen meines Verhaltens befassen. Dann werde ich aufhören müssen, mich selbst zu belügen. Werde eine echte Entscheidung treffen müssen.
    Ich muss mich der Tatsache stellen, dass ich Gefühle für einen Mann habe, der jemandem ohne Skrupel eine Kugel in den Kopf jagt. Ich muss der Möglichkeit ins Auge blicken, dass ich nun wirklich zu einem Monster werde. Zu einer grauenhaften, selbstsüchtigen Kreatur, die nur an sich selbst denken kann.
    Vielleicht hatte Warner von Anfang an Recht.
    Vielleicht sind er und ich wirklich füreinander geschaffen.
    Fast alle haben den Speisesaal verlassen. Die Leute verabschieden sich von ihren Alten und Jungen, die sie zurücklassen. James und Adam haben sich heute früh schon ausführlich Lebewohl gesagt. Und Adam und ich müssen in etwa 10 Minuten aufbrechen.
    »Verdammt. Ist jemand gestorben?«
    Ich fahre herum. Kenji. Er steht vor uns. Neben unserem Tisch. Sieht aus, als könne er jeden Moment umfallen, aber er ist aufgewacht. Er lebt .
    Er atmet.
    »Scheiße noch mal.« Adam glotzt Kenji mit offenem Mund an. »Das kann doch nicht wahr sein.«
    »Ich freu mich auch, dich zu sehen, Kent.« Kenji grinst schief. Er nickt mir zu. »Bereit für die große Keilerei heute?«
    Ich schubse ihn.
    »Hey – schönen Dank, ja – das ist – äm –« Er räuspert sich. Weicht aus, und ich zucke zusammen. Alles an mir bis auf mein Gesicht ist bedeckt; ich trage meine Handschuhe und die Schutzringe, und mein Anzug ist bis obenhin zugezogen. Normalerweise weicht Kenji nie vor mir zurück.
    »Öm, wär vielleicht gar nicht schlecht, wenn du mich mal ein Weilchen nicht anfassen würdest.« Kenji versucht zu lächeln und den Satz wie einen Scherz klingen zu lassen, aber ich spüre das Gewicht seiner Worte, die Anspannung und den Anflug von Furcht, den er angestrengt zu verbergen versucht. »Ich bin noch nicht allzu sicher auf den Beinen.«
    Mir wird flau, und ich fühle mich schwach.
    »Sie kann nichts dafür«, sagt Adam. »Du weißt, dass sie dich gar nicht angefasst hat.«
    »So genau weiß ich das nicht, nein«, erwidert Kenji. »Und ich gebe ihr ja auch keine Schuld – ich sage nur, dass sie vielleicht projiziert, ohne es zu wissen. Denn ich wüsste nicht, welche Erklärung es sonst geben könnte für den gestrigen Abend. Du hast jedenfalls nichts damit zu tun«, sagt er zu Adam, »und dass Warner Juliette berühren kann, könnte auch reiner Zufall sein. Wir wissen nicht genug über ihn.« Er sieht uns an. »Oder hat Warner einen magischen Hasen aus seinem Arsch hervorgezaubert, während ich gestern Nacht damit beschäftigt war, tot zu sein?«
    Adam blickt finster. Ich schweige.
    »Genau«, sagt Kenji. »Dachte ich mir schon. Deshalb halte ich es für am besten, mich von dir fernzuhalten, solange keine dringende Notwendigkeit besteht.« Er sieht mich an. »Okay? Du bist nicht beleidigt, oder? Ich meine, ich bin ja wirklich fast gestorben. Da könntest du schon ein bisschen nachsichtig sein.«
    Ich kann meine eigene Stimme kaum hören, als ich sage: »Ja, klar.« Ich versuche zu lachen. Ich versuche zu begreifen, warum ich ihnen nichts von Warner erzähle. Warum ich ihn immer noch schütze. Vermutlich weil ich ebenso schuldig bin wie er.
    »Also gut«, sagt Kenji. »Wann geht’s los?«
    »Du bist doch wohl vollkommen irre«, erwidert Adam. »Du gehst nirgendwohin.«
    »Und ob.«
    »Du kannst dich doch kaum auf den Beinen halten!«, widerspricht Adam.
    Er hat Recht. Kenji muss sich am Tisch festhalten.
    »Lieber sterbe ich da draußen als hier

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