Rettungskreuzer Ikarus Band 005 - Requiem
Käfer, um sie ebenfalls
kurzzeitig umgedreht in die Analysekammer der Maschine zu schieben.
Er hielt inne.
Sein Blick fokussierte die beiden Käfer, die da nebeneinander auf ihren
Rücken lagen und mit den jeweils sechs Beinen zappelten.
»Das gibt es doch nicht«, murmelte der Arzt vor sich hin.
Thorpa war neugierig geworden und beugte sich über seine Schulter. Er wusste
erst nicht, was der Arzt meinte, doch dann hörte er sogar für einen
Augenblick mit den beständigen Bewegungen seiner zahlreichen Gliedmaßen
auf.
»Bei allen Göttern!«, stieß er hervor.
Anande nickte. »Ja, nur bei welchen ... das ist hier die Frage.«
Thorpa verstand auch ohne weitere Erklärung diese Aussage. Nicht nur, dass
die beiden Käfer absolut identisch aussahen, nein, die Bewegungen ihrer
Beine, das Gestrampel verlief absolut synchron, soweit die beiden Forscher dies
mit bloßem Auge einschätzen konnten. Die Fühler zuckten im Gleichtakt,
die Beine bewegten sich hektisch, aber völlig übereinstimmend. Es
war, als hätten die Käfer ein Zappelballet einstudiert, das sie nun
vor dem geneigten Publikum zum Besten gaben, und die Choreographie war perfekt.
Das Publikum war rechtschaffen beeindruckt.
»Welche Schlüsse ziehen Sie daraus?«, fragte Thorpa atemlos.
»Noch keine«, antwortete Anande. Er steckte die zappelnden Kleintiere
in die Analysekammer. »Werfen wir einen Blick auf den Molekularscanner.«
Der Bioroboter verharrte regungslos an der Seite der beiden Forscher, während
er seine Arbeit aufnahm. Anande nutzte die Zeit, um noch mal seinen Blick in
der Runde schweifen zu lassen.
Der Boden der wie abgezirkelt wirkenden Lichtung war mit einem dünnen Gras
bedeckt, das nirgendwo höher als fünf Zentimeter aus dem Boden ragte.
Fast konnte man meinen, jemand würde regelmäßig mit dem Rasenmäher
über diese Fläche fahren – jedenfalls konnte kein gepflegter
Vorortgarten besser aussehen. Der Übergang zum Dschungel war abrupt, die
wuchernden Schlingpflanzen, dicken und turmhohen Bäume, die überwältigende
Fülle an Farben und Formen begannen allzu unvermittelt, um natürlichen
Ursprungs zu sein. Doch auch dieser Dschungel war rätselhaft genug: Trotz
der großen Vielfalt an Arten in Fauna und Flora, die die ersten Scans
aus dem Orbit Lügen strafte und bei Weenderveen sicher wieder die Forderung
nach besserer – und teurerer – Ausrüstung laut werden lassen
würde, strahlte er ein so hohes Maß an Gleichförmigkeit aus,
dass Anande zu dem Schluss gekommen war, es hier mit einem bemerkenswert ...
langweiligen Dschungel zu tun zu haben. Und wenn ihn nicht alles täuschte,
würden seine Analysen zu einem hochinteressanten Ergebnis gelangen.
Anandes Augen richteten sich auf das Zentrum der Lichtung, in dem die wie versteinert
wirkenden, dunkel marmorierten Überreste des in zwei Teile zerbrochenen
Wracks ruhten. Die gemessene Strahlung hatte sich bei den Scans vor Ort als
noch weniger intensiv herausgestellt als vermutet, und man musste wirklich davon
ausgehen, dass dieses seltsame Raumfahrzeug seit mehreren hundert Jahren an
dieser Stelle lag. Nichts und niemand hatte sich beim Anflug der Ikarus geregt, obwohl das Aufsetzen des massigen Schiffes sicher eine Menge Lärm
verursacht hatte. Zu übersehen war es jedenfalls nicht gewesen.
Der Arzt beobachtete, wie sich Trooid und DiMersi mit zwei Robotern an einigen
Trümmerstücken zu schaffen machten, die diesseits der vom Captain
befohlenen 100-Meter-Grenze um das Raumschiff auf der Lichtung lagen. Eine interessante
Auslegung des Befehls, sich von dem Wrack fern zu halten und nur einen intensiven
Nahbereichsscan durchzuführen, dachte Anande amüsiert. Er sah allerdings
in der Tat keinen Grund zu allzu massiver Vorsicht, denn bei dem fremden Schiff
rührte sich bestimmt seit Jahrhunderten nichts und niemand mehr. Anande
war sich sicher, dass Sentenza persönlich eine Expedition in das fremde
Schiff anführen würde, sobald er aus seinem Erschöpfungsschlaf
erwacht war.
Für eine Sekunde dachte der Arzt in Anande unwillig an den körperlichen
und geistigen Raubbau, den die beiden wichtigsten Besatzungsmitglieder außer
ihm an ihren Kräften betrieben – DiMersi und Sentenza waren kaum zum
Ausruhen zu bewegen. Anande war sich nicht sicher, welcher Teufel die beiden
antrieb, aber er war zu dem Schluss gekommen, dass er ihn nicht exorzieren konnte.
Er hatte eine Ahnung,
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