Rettungskreuzer Ikarus Band 010 - Aufstand der Toten
Wand. Sentenza hatte keine Zeit, sich um
alle zu kümmern und hoffte nur, die Aktiven würden die Chance nutzen
und sich einen Weg in die Freiheit erkämpfen. Am Ende des Ganges gab es
ein schweres Schott, offenbar der Zugang zu einem Hochsicherheitstrakt dieses
Gefängnisses, und da weder Shilla noch Sonja aus einer der »normalen«
Zellen zum Vorschein gekommen waren, mussten sie hier stecken – wenn sie
überhaupt noch am Leben waren.
Doch daran wollten Sentenza sowie Jason Knight, der sich wieder der Spitzengruppe
angeschlossen hatte, nicht einmal im Traum denken. Sie blickten etwas ratlos
auf das Schott, dem mit normaler Waffengewalt angesichts der knappen Zeit sicher
nicht beizukommen war.
Erneut war es die Grey, die eine Lösung parat hatte. Sie öffnete ein
Wandpaneel, betrachtete die Schaltungen, dann holte sie Feinwerkzeug aus ihrem
Allzweckgürtel und warf Sentenza einen halb spöttischen Blick zu.
»Wenn ich jetzt Alarm auslöse, ist das nicht wirklich ein Problem,
oder, Captain?« Angesichts des Durcheinanders eine mehr als rhetorische
Frage, so dass Sentenza ihr als Antwort nur einen leicht verweisenden Blick
zuwarf. Die Grey hantierte mit dem Feinwerkzeug, als am Anfang des Ganges Kampflärm
ertönte: Die aktiven Gefangenen und die nunmehr verbliebenen ein Dutzend
Bioroboter hatten es mit der nachrückenden TakForce zu tun bekommen.
»Die Zeit läuft uns davon!«, meinte Knight mit drängendem
Unterton.
An'ta ließ sich davon nicht aus der Ruhe bringen. Fasziniert beobachtete
Sentenza, wie sie mit ihren breiten und kräftigen Fingern das Präzisionswerkzeug
sicher und geschickt manipulierte. Vom bloßen Anschein her hätte
ihr sicher niemand solche Filigranarbeit zugetraut. Und auch das Ergebnis ließ
nicht lange auf sich warten ...
»Achtung!«, rief die Grey aus.
Die Männer sprangen zurück, das Schott glitt stockend auf.
Für einen Augenblick schien die Zeit still zu stehen, als die Grey durch
das Schott in den dahinter liegenden Raum starrte. Dann machte sie Platz. Knight
und Sentenza sprangen vor, dicht gefolgt von Anande, der den Ausdruck auf An'tas
Gesicht richtig gedeutet hatte.
Ein unterdrücktes Schluchzen klang aus dem Raum. Die anderen Mitglieder
der Truppe, immer noch schweigend, drehten sich berührt um, als sie merkten,
dass das Geräusch der Kehle Sentenzas entsprungen war.
Dieser hatte sich neben den geschundenen Körper von Sonja DiMersi gekniet,
ihren Kopf auf seinen Oberschenkel gebettet. Dem Captain standen die Tränen
in den Augen, als er sah, welche Qualen die Frau hatte erleiden müssen.
Jede oft sarkastische Unnahbarkeit war von ihm abgefallen. Ein leises Schütteln
durchfuhr seinen Körper, als er mit einer Hand linkisch über Sonjas
Stirn fuhr.
Anande kümmerte sich unter den Argusaugen Jason Knights um Shilla.
Sonja atmete langsam und regelmäßig. Sentenzas Hand fühlte ihren
Puls, der ebenfalls recht kräftig schlug. Das trockene Würgen, das
ihm den Hals empor gekrochen war, als er die verwundete Frau am Boden hatte
liegen sehen, schluckte er mit Gewalt runter. Er warf einen kurzen, tränenverschleierten
Blick zu Shilla, deren rechte Hand von Knight gehalten und immer wieder, fast
automatisch, gestreichelt wurde. Anande hatte nach kurzer Untersuchung den Kopf
geschüttelt und ihr ein Mittel verabreicht, ehe er sich Sonja zuwandte.
»Was ist mit ihr?«, brach es aus Knight hervor.
Anande, ohne von Sonja aufzublicken, antwortete: »Ein Schock. Stabile Körperfunktionen,
soweit ich das beurteilen kann. Ich habe nie zuvor jemanden wie Shilla behandelt.
Ich habe ihr ein Kreislauf stabilisierendes Mittel gegeben. Sie dürfte
gleich aufwachen, dann können wir sie besser transportieren. So ... Moment
...«
Der geschäftsmäßige Ton des Arztes irritierte keinen der Männer
sonderlich. Hauptsache, er tat das Richtige. Eine Injektionspistole fuhr an
Sonjas Hals, ein weiteres Zischen. »Massive Prellungen, Quetschungen, Aufschürfungen,
nicht allzu tiefe Wunden ... keine ernsthaften Traumata, wenn ich das richtig
sehe ... sie ist einfach nur furchtbar erschöpft und am Ende aller Kräfte.
Sentenza, Sie werden sie stützen müssen.«
Der Captain nickte wortlos.
»Hat sie ... wurde sie ...«, stotterte er etwas hilflos. Anande ahnte,
worauf er hinaus wollte.
»Nein, keine Anzeichen für eine Vergewaltigung – zumindest, soweit
ich das so oberflächlich feststellen
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