Rettungskreuzer Ikarus Band 011 - Die Erleuchteten
war sie
nur Mittel zum Zweck, um ihre Worte, ihren Glauben über weite Strecken
ins Universum hinaustragen zu können.
Doch jetzt waren sie hier, und allein ihre Gegenwart schraubte das Leistungspotenzial
der Anwesenden zurück, da sie sich beobachtet fühlten und Fehler vermeiden
wollten. Hin und wieder blickte jemand auf und schielte verstohlen zu den beiden
ranghöchsten Männern im Orden der Erleuchteten hinüber.
Asiano hatte auf seinem thronartigen Sessel Platz genommen. Der Superior hockte
in dem nur minder prunkvollen Stuhl daneben. Beide unterhielten sich mit dem
Kommandanten der Zuflucht , einem Captain, den Sie vor einigen Jahren
irgendwo in einer Bar für ehemalige Offiziere der Raummarine aufgelesen
hatten. Nicht jeder der Schiffsbesatzung war ein Gläubiger. Die meisten
wurden vom Orden für ihre Dienste bezahlt – und dafür, keine
Fragen zu stellen und jeden Befehl des Erlösers auszuführen.
»Die Ikarus befindet sich noch immer in unserem Hangar«, teilte
der Kommandant mit.
»Ich habe nicht erwartet, dass sie uns so schnell verlassen würden«,
entgegnete Asiano und blickte auf den Bildschirm neben sich, der den Rettungskreuzer
auf seinen Landestelzen im Hangar zeigte. Der Erlöser lehnte sich zurück
und legte den Kopf in den Nacken. Über ihm war freier Weltraum. Die Plattform
mit dem Kommandostand befand sich dicht unter der Biosphärenkuppel, jedoch
abgeschirmt vom Leuchtring und den künstlich geschaffenen Wolken. Von hier
aus hatte man einen sagenhaften Blick hinaus in das All.
»Sie werden versuchen, gewaltsam in den Tempel einzudringen«, gab
Saladin an seiner Seite zu denken. »Das können wir nicht zulassen.
Unsere Jünger würden Gegenmaßnahmen erwarten.«
Asiano nickte. Er wollte sich das Raumcorps nicht zum Feind machen, also konnte
er nicht offen gegen dessen Leute vorgehen. Aber jetzt auf die Schnelle eine
Intrige zu spinnen ...? Das würde nur zu einem Desaster führen. Er
hatte die andere Sache von langer Hand vorbereitet. Bereits zweimal hatten sie
versucht, ihn und seinen Orden zu infiltrieren. Den ersten Verräter zu
finden, war ein Kinderspiel gewesen – ihn auf die eine oder andere Art
loszuwerden, auch. Sicherlich hätte es auch beim zweiten Mal geklappt,
wären dieser Sentenza und sein Rettungskreuzer ihnen nicht in die Quere
gekommen. Jetzt blieb nur zu hoffen, dass der Zeitfaktor für ihn und seine
Pläne spielte.
»Wo befindet sich das Rettungsteam jetzt?«, erkundigte er sich beim
Captain.
»Sie waren vorhin im mittleren Ring, nahe des verschlossenen Tempelraumes.
Mehrere Dutzend Suchende und Adepten haben den Weg blockiert. Sie kamen nicht
durch.«
Asiano lächelte. Der Sauerstoff musste im Tempelraum bereits so knapp geworden
sein, dass die ersten Jünger bewusstlos waren. Er überlegte, ob sie
nicht die Restluft absaugen sollten, doch jeglicher Eingriff, den er jetzt anordnete,
würde seinen Plan, die Sache wie einen Unfall aussehen zu lassen, zunichte
machen. Er musste abwarten und hoffte, dass zumindest der Spion starb, ehe Sentenza
es doch noch irgendwie schaffte, in den Tempel einzudringen.
Er nickte dem Captain zu, woraufhin dieser sich zum Leitstand zurückzog.
Nur der Kommandant und Superior Saladin teilten Asianos Wissen um die Vergeltungsaktion
gegen den unerwünschten Eindringling. Er war sich ihrer Loyalität
sicher. Der Captain hatte eine fette Prämie erhalten, und Saladin war ihm
treu ergeben.
Und alt.
Niemanden würde es verwundern, wenn er plötzlich eines natürlichen
Todes starb – nur für den Fall, dass er einmal nicht in Asianos Sinne
wirken sollte.
»Sollen wir die Guardians schicken?«, fragte Saladin nach, der von
den Gedanken des Erlösers nichts ahnte.
Asiano faltete die Hände ineinander und betrachtete das Sternenmeer über
sich. Eine Zeitlang schien es, als hätte er die Frage des Superiors gar
nicht gehört, doch dann antwortete er: »Nein, wir warten.«
Schwitzend hetzten Sentenza, Sonja, Anande und Reno durch den Wartungsschacht.
Je mehr sie sich dem Tempelraum näherten, desto stickiger und heißer
wurde die Luft. Sie hatten Weenderveen und Thorpa am Eingang zurück gelassen.
Der ältere Robotingenieur litt ohnehin an einer Art Klaustrophobie und
hätte im engen Schacht wahrscheinlich Panikanfälle bekommen.
»Ist es noch weit?«
»Wir sind gleich da«, beruhigte Reno Sonja.
Es war zunehmend dunkler geworden.
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