Rettungskreuzer Ikarus Band 011 - Die Erleuchteten
Stimmte
irgendetwas nicht mit der Wiederaufbereitung? Hatte es eine Panne gegeben?
Finde zu dir! , ermahnte sie eine innere Stimme. Warum war sie nur mit
ihren Gedanken bei allem anderen als dem Gebet?
Dann hörte sie es!
Es klang wie das ferne Säuseln einer auf- und abschwellenden Brandung.
Zuerst glaubte sie, sich das Geräusch nur einzubilden, doch als auch Akolyth
Prospero und ein weiterer Suchender die Lider hoben und lauschten, wusste sie,
dass der Laut durch das massive Portal drang.
Im übrigen Schiff mochte der dröhnende Alarm überlaut wahrnehmbar
sein, doch hier im Tempelraum waren sie weitgehend von äußeren Einflüssen
abgeschottet, um sich voller Konzentration dem Gebet hinzugeben.
Der Suchende neben Prospero machte Anstalten sich zu erheben, doch die Hand
des Akolythen schnellte vor und legte sich auf den Unterarm des anderen. Verwirrt
blickte der Mann zur Seite, begegnete dem leichten Kopfschütteln des Priester-Jüngers
und hielt inne. Sein Blick aber verriet, dass er sich keineswegs beruhigt hatte.
Nova sah zum Portal: Eine aus Titaniumlegierung geschaffene Doppeltür,
dichter als alles andere, was je von Menschenhand erschaffen worden war. Die
Erbauer der Zuflucht hatten ganze Arbeit geleistet, als sie die Tempelräume
planten. Nichts und niemand sollte die Jünger bei ihren Messen und Gottesdiensten
stören.
Für einen Augenblick fragte sich Nova, ob die Tempelräume auch bei
der völligen Zerstörung der Zuflucht noch intakt bleiben würden.
Sie erschrak über ihren eigenen Gedanken. Ein feines Kribbeln lief ihr
den Rücken hinunter, und ein eisiger Schauer stellte ihre Nackenhaare auf.
Zwei weitere Suchende öffneten irritiert ihre Augen. Auch sie mussten den
Alarm wahrgenommen haben – oder registrierten den schneller gewordenen
Atem Prosperos. Ein Anflug von Panik trat in sein Gesicht als er sah, dass weitere
der Gläubigen ihr Gebet unterbrachen. Das war unerhört und noch nie
in ihrer Gemeinschaft vorgekommen!
Obwohl Nova wusste, dass ihr eine schwere Bestrafung bevorstand, wollte sie
sich kurzentschlossen erheben und zum Portal gehen, um nach dem Rechten zu sehen.
Doch einer der Suchenden kam ihr zuvor. Der Mann – seinen Namen kannte
sie nicht, denn er war erst heute ihrer Gebetsgruppe zugeteilt worden –
tapste barfuß zum Tor. Auch wenn er sich noch so sehr bemühte, leise
zu sein, klangen seine Schritte dumpf im Tempelraum wider. Die Laute holten
auch die letzten Meditierenden aus ihrer Trance.
Prosperos fahler Teint wich einem kräftigen Rot, während ihm die Augen
vor Empörung beinahe überquollen.
»Allmächtiger Erlöser!«, entfuhr es ihm, und im selben Moment
schien er zu bemerken, dass es seine Worte waren, die die Andacht endgültig
störten. Ein Sakrileg ohnegleichen für das er sich wahrscheinlich
heute Abend bei der Buße selbst geißeln würde.
Der Mann an der Tür hatte sein Ohr dicht an den Stahl gelegt und lauschte.
Ein Raunen ging durch die anderen Anwesenden, zwei von ihnen wagten es sogar,
miteinander zu sprechen, was Akolyth Prospero fast an den Rand des Wahnsinns
trieb.
»Es ist der Alarm«, bestätigte der Mann am Portal Novas Vermutung.
»Was kann da passiert sein?«, fragte eine Frau neben Nova.
Nun sah sich der Akolyth genötigt, doch aufzustehen. Er hob beschwichtigend
die Hände.
»Suchende, bewahrt Ruhe!«
»Aber der Alarm«, meldete sich nun Nova zu Wort und fing sich einen
strafenden Blick Prosperos ein. Der füllige Mann strich sich verzweifelt
durch das kaum mehr vorhandene dunkle Haar. Sein Blick irrte zum Abbild des
Erlösers, als erhoffe er sich dringende Antworten von höherer Stelle.
Ihm war anzusehen, dass er der Situation nicht gewachsen war. In erster Linie
interessierte ihn nicht der Alarm, sondern die abrupte Unterbrechung ihrer Gebetsstunde,
obwohl sie noch zwei Zyklen vor sich hatten.
Akolyth Prospero zupfte sich die gelbe Robe seines Amts zurecht und ging zum
Schrein hinüber. Er murmelte leise Worte zum Holo des Erlösers und
wandte sich dann zum Gebetskreis um.
»Was immer draußen geschieht, wir sind nicht allein. Der Erlöser
ist bei uns und wird uns beschützen. Wir sind hier sicher in seinen geheiligten
Räumen, in seiner Obhut. Lasst uns ihm weiter huldigen und für seine
Gnade beten.«
Der Mann an der Tür nickte bekräftigend und kehrte zu seinem angestammten
Platz zurück. Ein Seufzen ging durch die Gruppe der
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