Rettungskreuzer Ikarus Band 011 - Die Erleuchteten
Schließlich hatten sie die zu ihrer
Ausrüstung gehörenden Lampen eingeschaltet. Die Lichtkegel tanzten
über verrottete Metallwände. Der Zustand des Ganges war übler
als der des Decks im unteren Ring. Er wurde anscheinend nie gesäubert –
wozu auch, wenn er nur alle Jubeljahre von einem Techniker genutzt wurde, um
Wartungsarbeiten durchzuführen.
»Das ist die Kammer unter dem Schrein«, sagte Reno und deutete auf
eine Aussparung am Ende des Tunnels.
Das Kom knackte.
»Captain Sentenza?«, fragte die Stimme Trooids an.
»Was gibt es?«
»Die Regierung von Albira II hat mehrere Schiffe gestartet, um die Zuflucht aus dem Sonnensystem zu eskortieren. Sie haben gedroht, das Feuer zu eröffnen,
sollte man nicht kooperieren.«
»Mist! Haben Sie denen gesagt, dass wir noch an Bord sind?«
»Natürlich. Aber es schien ihnen nichts auszumachen, uns mit zu vernichten.«
»Fantastisch.« Sentenza war jetzt gewiss nicht in der Stimmung für
politische Kapriolen. Vorrangig mussten die Gläubigen gerettet werden.
»Sagen Sie denen, dass sie sich die Aufnahme ins Raumcorps von der Backe
schmieren können, wenn sie das Feuer eröffnen.«
Reno schritt voran in die Kammer und zeigte auf eine schmale Klappe in der Wand.
»Das ist der Zugang zum Tempelraum«, flüsterte er.
»Dann rein.«
Sentenza fühlte die Hand Renos auf seinem Unterarm. »Seien Sie vorsichtig,
Captain. Beim letzten Mal haben die mich fast erschlagen.«
Roderick nickte nur, zog den Laser und feuerte auf die Luke. Funken sprühten,
als der Blitz in das Metall einschlug und einen Teil einfach wegsprengte. Die
Klappe schwang nach innen auf. Sentenza und Sonja stürmten in den Raum,
kümmerten sich jedoch nicht um die allesamt auf dem Boden liegenden Menschen,
sondern rannten mit angehaltenem Atem zum Portal.
»Sprengen!«, befahl Roderick. Als er einatmete, tanzten Flecken vor
seinen Augen. Er röchelte. Die Luft war mehr als verbraucht.
Sonja taumelte ebenfalls, schoss jedoch. Gleißende Entladungen bohrten
sich von innen in das Portal. Der Chief ließ den Finger nicht vom Abzug
und sandte einen lang gezogenen Lichtfinger in drei Metern Höhe durch das
Tor und zog dann eine kreisförmige Bahn. Sie hoffte, dass der durchschneidende
Laserstrahl nicht die gläubigen Demonstranten auf der anderen Seite erfasste.
Der Kreis war abgeschlossenen. Eine letzte Entladung, dann fiel das heraus geschnittene
Segment herunter. Frische Luft strömte in den Tempelraum. Durchzug entstand
durch die noch geöffnete Luke zum Wartungstunnel. Zwar war noch immer der
schale Geruch von abgestandener Luft gegenwärtig, aber die Rettungscrew
konnte es zumindest riskieren, durchzuatmen.
Sentenza und DiMersi kehrten zu den anderen zurück. Anande hatte sich bereits
über die reglos daliegenden Leute gebeugt und untersuchte sie in einer
Blitzaktion. Bei zweien schüttelte er den Kopf, anderen injizierte er eine
mit Sauerstoff angereicherte Flüssigkeit und bei den schweren Fällen
pumpte er Atemluft direkt aus einem mitgeführten Behälter in ihre
Lungen.
»Das reicht nicht für alle«, sagte er, während er von einem
zum anderen sprang, hier und da Wiederbelebungstechniken anwandte und bei einem
Mann erneut den Kopf schüttelte.
»Wir müssen das Schott öffnen!«
Sentenza sah sich gehetzt um. Nur Notleuchten, die mit Eigenenergie versorgt
wurden, brannten. Da erblickte er den Monitor über dem Portal, und was
er darauf sah, gefiel ihm überhaupt nicht. Eine Szene wurde immer wieder
und wieder abgespielt. Er sah sich selbst draußen vor dem Schott, wie
er mit den Demonstranten diskutierte, dann ihre Flucht vor dem hysterischen
Gekreische. Das Bild wechselte, zeigte wie die Guardians von Elektrostößen
aus den Stunnern Sentenzas und DiMersis zu Boden gingen. Wie Richterin Dorothea
niedergeschossen wurde.
»Verfluchte Propaganda«, keuchte Roderick. »Sie hetzen sie gegen
uns auf.«
Er hob die Pistole und drückte ab. Ein heller Energiestoß bohrte
sich in den Plasmaschirm und verdampfte ihn.
»Das hilft uns nicht weiter, Captain!«, rief Reno ihm zu. »Wir
müssen die Leute rausschaffen. Drei sind bereits tot.«
Sentenza wandte sich um. Der Suchende hatte sich über einen Mann gebeugt,
der mit weit geöffneten Augen und in einer getrockneten Lache seines eigenen
Blutes vor dem Schrein lag.
»Kannten Sie diesen Mann?«, fragte Roderick.
Reno atmete schwer. »Akolyth Prospero. Es
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