Rettungskreuzer Ikarus Band 017 - Das Anande-Komplott
Dann hielt er überrascht inne. Einer
der Absender war eine Mrs. Eisberg. Wie ein Echo auf diesen Namen lief Tarano
ein Schauer über den Rücken, eine Vorahnung von ... Schwierigkeiten.
Zögernd öffnete er die Nachricht, die nur aus einer Zeile bestand:
Heute, 19.00, LoveChatBar, Tisch 3. In alter Freundschaft. Mrs. Eisberg
Der Glanz des Tages verblasste, die euphorische Stimmung war so plötzlich
verschwunden, als hätte jemand einen unsichtbaren Schalter umgelegt. Tarano
ließ sich in die Polster zurücksinken und starrte blicklos auf den
Bildschirm. Erinnerungen, die er nur allzu gerne vergessen und vergraben hatte,
krochen aus der Tiefe wieder in sein Bewusstsein – vergangene Fehler, altes
Unglück, unerwartete Hilfe, von der er immer geahnt hatte, dass sie einmal
ihren Preis haben würde. Aber warum jetzt? Das alles war doch schon so
lange her! Er hatte nicht gedacht, dass es »Mrs. Eisberg« überhaupt
noch gab. Nichts wollte er weniger, als mit diesem unrühmlichen Kapitel
seiner Vergangenheit noch einmal konfrontiert zu werden. Aber er wusste natürlich,
dass er hingehen würde: pünktlich um 19.00 in die LoveChatBar ...
Die Bar war kein besonders nobler Schuppen, aber auch keine finstere Kaschemme.
Früher wäre Torin Tarano vielleicht öfter einmal hierher gekommen
auf der Suche nach einem schnellen und unverbindlichen Abenteuer für die
Nacht. Heute bevorzugte er die besseren Restaurants und Tanzbars am anderen
Ende der Stadt, in der die hochgeschlitzten Kleider der Damen wirklich aus Seide
waren und nicht aus billiger Synthetik.
Um diese Zeit hatte die LoveChatBar gerade erst geöffnet –
die wenigen Gäste sahen so aus, als wären sie vom letzten Abend übrig
geblieben. Eine nervöse junge Frau wartete offensichtlich auf ein Rendezvous
und hatte zu viel Make-up aufgelegt, um dahinter ihre Unsicherheit zu verstecken.
Ein schwarzhaariger Mann, der wie ein gealterter Gigolo aus einem schlechten
Film aussah, lehnte bereits über dem ersten Drink an der Bar, wahrscheinlich
ebenso dort festgeschraubt wie die hohen Hocker. Er musterte Tarano mit einem
abschätzenden Blick. Vermutlich kannte er jeden Besucher, der sich öfter
als zweimal hier blicken ließ, mit seinem Namen und behauptete von sich,
mit mindestens der Hälfte aller weiblichen Gäste geschlafen zu haben.
So gelassen wie möglich ging Tarano zu dem Tisch mit der Nummer 3, der
sich – gar nicht zu seiner Überraschung – ganz am Rande in einer
kleinen Nische befand. Die Polster der halbkreisförmigen Bank waren weich
und mit einem fleckigen roten Kunstleder bezogen – der richtige Ort für
intime Gespräche und andere harmlose Vergnüglichkeiten. Mitten auf
dem Tisch mit der hochglanzpolierten schwarzen Glasplatte stand eine kleine
Kommunikationsanlage. Tarano kannte diese Art von Bars. Jeder Tisch war an ein
internes Kommnetz angeschlossen. Wenn man jemanden erspäht hatte, mit dem
man in Kontakt treten wollte, ohne den Mut zu einer persönlichen Begegnung
aufzubringen, konnte man diese Person einfach anrufen. Ein paar einleitende
Worte über die Kommanlage, der erste visuelle Eindruck über den auf
»schmeichelhaft« gestellten Videoschirm waren eine gute Startbasis
für ein persönliches Treffen auf der Tanzfläche – oder ersparten
einem die deprimierende Abfuhr.
Die Bedienung kam, fragte nach seinen Wünschen und brachte kurz darauf
ein süßliches, aber zumindest eiskaltes Bier. Tarano bemerkte nicht
einmal, dass er vergessen hatte, seine Sonnenbrille abzunehmen. Nervös
spähte er durch den dämmrigen Raum und fragte sich, an welchem der
Tische wohl Mrs. Eisberg sitzen würde – wenn sie überhaupt hier
war. Eigentlich war das Kommsystem der Bar wirklich nur intern, aber vielleicht
gab es die Möglichkeit, sich von außen einzuklinken. Dann könnte
seine mysteriöse Gesprächspartnerin auch am anderen Ende der Galaxis
sein. Tarano erinnerte sich nur zu gut daran, dass der Einfluss von Mrs. Eisberg
damals schon beachtlich war. Umso mehr wunderte er sich, dass sie sich jetzt
mit ihm in Verbindung setzte. Was konnte sie nur wollen? Keine Kleinigkeit,
das war sicher. Unruhig blickte Tarano zum wiederholten Male auf seine Uhr.
Dann, um Punkt 19.00, sprang die Kommanlage vor ihm an.
Auf dem Bildschirm erschien das Gesicht einer Frau, an das er sich gut erinnerte:
mit einem dunkleren Teint, Mandelaugen und perfekt frisierten
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