Rettungskreuzer Ikarus Band 017 - Das Anande-Komplott
erneut aus einer feingeschliffenen
Steinkaraffe.
»Er verspätet sich«, sagte sie mit einer leisen, sanften Stimme.
»Sagte er nicht, es ginge um eine Sache von größter Wichtigkeit?«
Joran machte sich nicht die Mühe, ihr eine Antwort zu geben. Die Dame Sifalen
war eine anmutige, schmale Frau von einiger Schönheit und dem Blick und
Gehabe eines zu oft geschlagenen Tieres. Die meisten Frauen, die zu Joran kamen
und sein Bett und seine Grausamkeiten teilten, taten das angelockt von dem Charme
seines Geldes und gingen, sobald sie genug davon hatten. Der Prinz hielt sie
nicht auf, denn sie bedeuteten ihm nichts, und für jede, die ging und von
da an eine Episode in ihrem Leben hatte, die sie lieber vergessen würde,
kam eine neue. Manchmal kamen sie auch nicht freiwillig. Manchmal gingen sie
auch nicht wieder.
Die Dame Sifalen, eine Hofdame vom Staat seines Vaters, war von sich aus gekommen
und nicht des Geldes wegen. Der Prinz behandelte sie mit Verachtung, Brutalität
und Gleichgültigkeit, und sie wollte es so haben. Sie blieb wie eine Motte,
die von einem schwarzen Mond angezogen wurde. Ihre Hingabe und Loyalität
waren grenzenlos.
Die Karaffe war fast leer, als endlich ein leises Signal das Eintreffen des
Gastes ankündigte. Kurze Zeit darauf öffnete sich lautlos die Zimmertür,
und mit hektischen Schritten und Bewegungen trat ein dürrer Mann in den
Raum. Er trug normale Straßenkleidung, die fremd an ihm wirkte, weil man
ihn sonst fast immer in einem weißen Laborkittel sah. Mit einer fahrigen
Geste, in der Respekt mehr zu erahnen, als zu sehen war, grüßte er
den Prinzen und schob dann rasch eine altmodische Brille zurück auf die
Nasenwurzel.
»Verzeiht meine Verspätung, Exzellenz«, begann er atemlos. Seine
hohe Fistelstimme wirkte vor Aufregung noch kraftloser als sonst. »Aber
mein eigener Informant kam fast eine Stunde später als verabredet und ich
...«
»Jaja, kommen Sie zur Sache, Botero«, unterbrach ihn Joran mit der
Ungeduld eines Mannes, der sein Leben lang Entschuldigungen gehört hatte
und nun an sich halten musste, um nicht allein bei dem Wort »Verzeihung«
nach einem Blaster zu greifen. »Was haben Sie für Neuigkeiten?«
»Gute, Exzellenz, sogar sehr gut!« Der Wissenschaftler strahlte
sein Gegenüber an und ließ sich in einen anderen Sessel fallen. Es
war nicht so, dass Dr. Noel Botero dumm oder unsensibel war – er wusste
genau, dass diese kleinen Verzögerungen den Prinzen innerlich zur Weißglut
treiben konnten. Er fürchtete den Zorn Jorans nicht, im Gegenteil, er hatte
seine eigene sadistische Freude daran, einen der mächtigsten Männer
des Multimperiums zappeln zu lassen. Er war zu wichtig für seine Exzellenz,
um von ihm wegen eines Anflugs von schlechter Laune ausgelöscht zu werden.
Und das wussten sie beide. Zudem hatte Botero für den Fall, dass Joran
es jemals vergessen sollte, mehr als eine Möglichkeit, ihn wieder daran
zu erinnern oder sich des wahnsinnigen Regenten zu entledigen – einige
davon würden sogar noch nach einem plötzlichen Unfalltod des Wissenschaftlers
in Kraft treten können.
»Oh, nebenbei, ehe ich es vergesse: Ich habe meine Experimente zu der neuen
künstlichen Haut abgeschlossen«, warf Noel Botero in vergnügtem
Plauderton ein. »Sehr viel versprechend. Der letzte Praxisversuch findet
gerade statt: Wir haben einem Mann schwere Strahlungsverbrennungen zugefügt,
80 Prozent seiner Haut sind tief greifend zerstört. Morgen bekommt er das
Implantat, und wenn es so gut funktioniert, wie ich denke, dann können
wir damit anfangen, das Gesicht Eurer Exzellenz zu ... äh ... rekonstruieren.«
Prinz Joran zuckte bei der Formulierung zusammen, und seine künstliche
Hand verkrampfte sich in einem halb bewussten Impuls so stark, dass das Weinglas
in ihr mit einem hellen Knirschen zersprang. Er unterdrückte den Wunsch,
die scharfen Scherben in das unschuldig reglose Gesicht des Wissenschaftlers
zu drücken. Botero hatte sich in den letzten Monaten zu einer immer anmaßenderen
Pest entwickelt, aber er war auch ein Genie – und seit dem zweiten Unfall
des Prinzen auf der verfluchten Antagonist wurden seine Dienste dringender
benötigt als je zuvor. Ah, die Antagonist ...
› Dieses Schiff hasst mich‹ , dachte Joran mit feuriger Inbrunst
und warf die Scherben zur Seite. › Sie hält Sentenza die Treue,
warum auch immer. Ich werde sie
Weitere Kostenlose Bücher