Rettungskreuzer Ikarus Band 017 - Das Anande-Komplott
dienstbar geworden ist. Alle Veränderungen,
die er an den Genen vorgenommen hat, waren darauf angelegt, das Wesen effektiver,
nützlicher zu machen und nahmen ihm gleichzeitig die Möglichkeit,
zu wachsen und ein vollständiges Individuum zu werden. Die Parallelen sind
deutlich. Auch hier ging es darum, die Würde und die Rechte von Lebewesen
unter dem Absatz der Profitgier zu zertreten – ein für die Opfer kaum
zu verzeihendes Verhalten.
Sicherlich können Sie nachvollziehen, dass die Ceelie für diejenigen,
die damals ihr Volk als Sklavenrasse konzipierten, keine freundlichen Gefühle
hegen. Jetzt befindet sich Doktor Anande in einer vergleichbaren Situation.
Und doch wertschätzt Captain An'ta nicht nur die beruflichen Fertigkeiten
des Arztes, sondern auch den jetzigen Menschen Anande, moralisch, ethisch und
persönlich. Eine Einschätzung, die auf den damaligen Angestellten
der ›Holy Spirit Medics‹ sicherlich nicht zugetroffen hätte.
Aber sie wird dem heutigen Arzt auf dem Rettungskreuzer Ikarus gerecht.
Und das, meine Damen und Herren, das ist so beeindruckend an dem ›in Ordnung‹,
das Herr von Bussev so gering schätzt.«
»Eine schöne Geschichte, Herr Thang, wirklich. Ich werde sie aufschreiben,
um sie meinen Kindern abends zum Einschlafen vorzulesen«, höhnte von
Bussev, hob dann aber entschuldigend die Hand, als er sah, wie die Richterin
ihn zurechtweisen wollte. »Verzeihung, Euer Ehren. Aber die Darstellung
von Herrn Thang über die Herkunft der Ceelie als eine Art Heldenepos hat
mehr Löcher als ein altes Fischernetz. Wenn Sie erlauben, dann werde ich
der Zeugin nun ein paar Fragen stellen?«
»Sicherlich, Herr von Bussev.« Thang trat an sein eigenes Pult zurück,
und von Bussev lehnte sich zu An'ta hinüber. Für einen Moment nahm
ihn die Tatsache gefangen, dass sich der Stoff ihrer Uniform über zwei
überaus wohlgeformte Brüste spannte, und er fragte sich unwillkürlich,
wie es sich wohl anfühlen mochte, fest in diese verlockende Wölbung
zu greifen, doch er fand rasch seine Konzentration wieder. Wenn er gewusst hätte,
dass An'ta zu dieser Gerichtsverhandlung ausnahmsweise einmal eine passende
Uniformjacke angezogen und auf ihre übliche, sehr knapp sitzende Kleidung
verzichtet hatte, wäre seine Vorstellung vielleicht noch weiter gewandert.
So aber maß er die Grey mir einem scheinbar neutralen, abschätzenden
Blick.
»Captain An'ta 35-7, sehen Sie Ihrer Mutter sehr ähnlich? Oder Ihrem
Vater?«, fragte er unvermittelt und genoss das allgemeine verblüffte
Schweigen.
»Erläutern Sie mir bitte den Sinn Ihrer Frage, ehe ich eine Antwort
darauf gebe?«, forderte An'ta ihn schließlich ruhig auf und von Bussev
nickte.
»Gerne. Was mein geschätzter Kollege Thang nämlich unerwähnt
gelassen hat: Nachdem das Volk der Grey sich von seinen Erschaffern emanzipiert
hat – wobei wir hier nicht weiter darauf eingehen wollen, dass sich das
keineswegs friedlich ereignet hat, sondern eher einer Revolution mit bis heute
zahlreichen und ungeklärten Gewalttaten glich – hat es der ach so
verhassten Gentechnologie nämlich keineswegs abgeschworen. Im Gegenteil.
Ist es nicht so, dass Genmanipulation bei Ihrem Volk zum Alltag gehören?
Dass Sie mir meine Frage nach der Familienähnlichkeit mit Ihrer Mutter
gar nicht beantworten können, weil Sie vermutlich nicht einmal wissen,
wie sie aussieht? Weil Sie nicht einmal eine Mutter haben?«
»Sie irren sich. Ich habe selbstverständlich durchaus Vorfahren, also
auch eine Mutter, wenngleich nicht in dem Sinn, in dem Sie das Wort gebrauchen.«
»Nicht in meinem Sinn? Bitte erläutern Sie das!«
»Ich bin nicht aus dem Körper einer Frau heraus geboren worden«,
erklärte An'ta schlicht, und für einen kurzen Augenblick zeigte sich
auf ihrem Gesicht eine Spur von Abscheu bei diesem Gedanken. »Es ist kein
Geheimnis, dass die Ceelie künstliche Befruchtung und Aufzucht der Embryonen
vervollkommnet haben.«
»Nein, das ist kein Geheimnis, aber auch kein Allgemeinwissen, deswegen
weise ich hier noch einmal darauf hin: das ganze Volk der Grey, jeder einzelne
von ihnen – und so auch Captain An'ta 35-7 –, ist das Ergebnis einer
gentechnischen Behandlung, einer In-vitro-Befruchtung und wird in speziellen
Maschinen ausgetragen. Ein erschreckender Gedanke, nicht wahr?«
»Erschreckend?« Zum ersten Mal zeigte An'ta Anzeichen deutlicher
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