Rettungskreuzer Ikarus Band 017 - Das Anande-Komplott
zu sein, das seine Aufgabe ganz nach seinen besten
Fertigkeiten und Interessen gerne erfüllt? Ich nicht.«
»Ein Werkzeug ist etwas, das von jemandem benutzt wird. Wer benutzt Sie,
Captain?«, warf von Bussev sarkastisch ein.
An'ta zuckte mit den Schultern. »Wer benutzt Sie, von Bussev?«, fragte
sie zweideutig zurück. »Wenn es bei mir Wissenschaftler waren, die
meine Genstruktur festgelegt haben, so ist es bei Ihnen die Evolution gewesen,
eine Abfolge von Mutationen, meist zum Schlechten, aber manchmal zum Guten.
Dadurch ist Ihr Volk den langen Weg vom Einzeller zum Menschen gegangen. Ist
Zufall deswegen gleich besser als Absicht? Sie selber, von Bussev, sind durch
diese selektiven Prozesse mit Intelligenz und gutem Kommunikationsvermögen
ausgestattet worden, durch ihre Erziehung mit der nötigen Härte und
dem Durchsetzungsvermögen, um ein Provokateur und somit ein Ankläger
zu sein. Das perfekte Werkzeug für diese Aufgabe. Zufällig, nicht
absichtlich, sofern wir Erziehung nicht als nachträgliche Manipulation
werten wollen. Fühlen Sie sich deswegen benutzt?«
»Das bedeutet, Sie heißen Experimente an Embryonen generell gut?
Und deswegen sprechen Sie hier für den Gentechniker Anande?«
»Die Frage habe ich schon beantwortet! Das Volk der Ceelie verändert
das Erbgut seiner eigenen Embryonen, niemals das anderer. Niemals unfreiwillig.
Nicht die Technik ist verwerflich, sondern die Anwendung. Maßstab für
›Gut‹ oder ›Böse‹ ist allein das Empfinden des betroffenen
Volkes.«
»Dann geben Sie also zu, dass Doktor Anande selbst aus der Sicht eines
gewissermaßen aus Gentechnik geborenen Volkes ein schweres, ein verwerfliches
Verbrechen begangen hat!,« rief von Bussev triumphierend. Unruhe kam im
Saal auf, und die Richterin Botha machte Anstalten, den Kristallgong zu schlagen,
aber als An'ta antwortete, verstummten alle von selber.
»Nein. Ich kenne den Mann nicht, der das verbotene Experiment an dem Embryo
der Kant'Takki gemacht hat. Keiner meiner Crew kennt ihn.« Die Stimme der
Grey war jetzt wieder ganz ruhig, volltönend und strahlte zusammen mit
dem schönen Gesicht des Captains eine Souveränität aus, die von
Bussevs Verhör nicht hatte erschüttern können.
»Ich kenne nur Doktor Jovian Anande vom Rettungskreuzer Ikarus .
Einen fähigen, zuverlässigen und sehr korrekten Arzt, der sein Leben
für das Wohlergehen und die Sicherheit seiner Patienten und Schutzbefohlenen
riskiert. Und dieser Mann hat keines der Verbrechen begangen, für die er
hier vor Gericht steht.«
»Haben Sie weitere Fragen, Herr von Bussev?,« erkundigte sich die
Richterin in der nachfolgenden Stille.
»Keine weiteren Fragen, Euer Ehren.«
»Dann wird die Verhandlung für heute beendet. Ich sehe sie alle morgen
um 10.00 in diesem Saal wieder.«
Als An'ta aufstand und dem Ausgang des Raumes zustrebte, kreuzte ihr Blick zum
ersten Mal den von Anande, der noch immer reglos auf seinem Platz saß.
Spontan lächelte sie ihn an und hob die Hand zu einem kurzen Gruß,
und der Arzt erwiderte die Geste. Als sie – automatisch vorsichtig auf
Abstand bedacht – zwischen den anderen den Flur hinunter nach draußen
ging, wurde ihr klar, dass sie alles, was sie über Anande gesagt hatte,
auch wirklich so meinte. Die Zweifel an Anande, die sie seit der Ansprache von
Sally McLennane verfolgt hatten, waren verschwunden. Im Gegenteil, sie bemerkte,
wie sehr sie den Mediziner tatsächlich schätzte und dass sie hoffte,
er würde als freier Mann aus dieser Verhandlung heraus kommen.
An'ta konnte ein Lächeln nicht unterdrücken, als ihr klar wurde, dass
sie von Bussev für sein grobes Verhör eigentlich dankbar sein musste,
denn es hatte ihr mehr als alles andere geholfen, mit sich selbst und der Situation
ins Reine zu kommen.
»Ich rufe den Pentakka Thorpa in den Zeugenstand.« von Bussevs durchdringende
Stimme hatte etwas wie ein Quieken als Echo, das von dort kam, wo die Crew der
I karus zusammen saß.
Mit vor Nervosität bebenden Ästen erhob sich der Pentakka, kam mit
seinem wiegenden Gang hinüber zu dem Scanner und berührte die silberne
Platte mit einem Zweig, um sich zu identifizieren. Es kostete den baumähnlichen
Thorpa trotz seiner eher geringen Körperhöhe einige Mühe, zu
dem Zeugenstuhl zu kommen, und dann stand er etwas hilflos davor, während
seine Laufwurzeln sich unstet bewegten. Schließlich wandte er
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