Rettungskreuzer Ikarus Band 017 - Das Anande-Komplott
Verärgerung.
»Was genau finden Sie daran erschreckend? Oder anders herum gefragt: Ist
das, was sie zum Beispiel bei Menschen eine ›normale‹ Schwangerschaft
nennen würden, minder schrecklich? Neun Monate tobt in dem Körper
der Frau ein chemischer Krieg, und wie ein Parasit entnimmt der Embryo dem Stoffwechsel
seiner Mutter lebenswichtige Nährstoffe, was, sollten diese nicht in ausreichender
Menge vorhanden sein, die Gesundheit der Frau gefährdet. Bei dem Geburtsvorgang
selber sterben durch Komplikationen sogar auf den technisch gut ausgestatteten
Welten nach wie vor Tausende von Müttern oder ihre Nachkommen, zum Teil
unter großen Schmerzen – von den primitiveren Kolonialwelten ganz
zu schweigen. Und das alles noch mit der Aussicht, ein durch Geburts- oder Genschäden
kaum lebensfähiges Kind zu erhalten. Wirklich keine sehr verlockende Alternative.«
»Also finden sie den natürlichen Weg der Vermehrung, wie er von unzähligen
Völkern über Jahrmillionen hinweg genutzt wird, minderwertig?«
von Bussevs Augen waren schmal geworden, und er war offensichtlich bereit, den
plötzlichen Gefühlsausbruch der Zeugin, so gut es ging, zu seinem
Vorteil zu nutzen.
»Ja«, antwortete die Ceelie nur und sah ihn dann abwartend an.
»Demnach sind Sie nicht nur der Ansicht, Befruchtung und Geburt seien Aufgabe
der Wissenschaftler, sondern auch die Schaffung von genetischer Effektivität?
Von Perfektion?«
»Ja.«
»Und worin liegt dann bitte der Unterschied zwischen Ihren Erschaffern
und Ihrer eigenen Handlungsweise? Was ist anders als das, was Doktor Anande
bei den Kant'Takki versucht hat?«
Für einen Moment sah es so aus, als wollte An'ta aufspringen, doch sie
beherrschte sich mühsam.
»Unsere ›Erschaffer‹, wie Sie sie nennen, haben ein Volk von
Sklaven für ihren eigenen Profit gezüchtet, gegen den Willen der Betroffenen.
Wir haben die Gentechnologie und künstliche Geburt als unseren Weg selbst
gewählt – so wie Ihr Volk an den archaischen, natürlichen Vorgängen
festhält, auch wenn es die Möglichkeiten hätte, es anders zu
machen. Das ist der Unterschied zwischen den ›Erschaffern‹ und uns
– und auch Doktor Anande. Er hat die Kant'Takki nicht gefragt. Sollte dieses
Volk jemals auf den Gedanken kommen, seine Embryonen verändern zu wollen,
dann ist das ihr gutes Recht. Doch ohne ihre Zustimmung ist es ein Verbrechen.«
»Zustimmung? Wessen Zustimmung? Wie sollte so ein Embryo gefragt werden,
was er will und was nicht? Ob er sein Leben opfern will für das Wohl vieler
oder lieber glücklich leben, wie die Natur und Gott es gewollt haben?«
»Das ist nicht möglich, wie Sie selber wissen«, nahm An'ta die
Frage auf, erbost über die suggestive Frageweise des Anklägers. »Kein
Embryo kann nach seinem Willen gefragt werden. Es ist eine Entscheidung des
Volkes, nicht des Einzelnen.«
»Und Ihr eigenes Volk, die Grey, sind sich alle einig?«
»Ja.«
»Auch Sie, Captain An'ta 35-7, sind vollkommen damit einverstanden, dass
Sie vor Ihrer Geburt ungefragt manipuliert wurden und keinerlei Einfluss darauf
nehmen konnten?«
»Ja.« Die Antwort kam schnell und ohne nachzudenken. Sicher erinnerte
An'ta sich an ihre Gefühle, als sie herausgefunden hatte, dass der Rat
der Ceelie ihren neuen Körper als eine Waffe gegen die Outsider erschaffen
hatte, ohne vorher ihre Zustimmung zu erbitten – ohne sie erbitten zu können
oder wollen. Sie war darüber nicht glücklich gewesen, denn dies war
eine weit reichende Veränderung, mehr als nur eine Variation von Körpergröße,
Organfunktionen oder Aussehen. Aber sie hatte es akzeptiert und wusste, es war
zum Besten für ihr Volk, für sie selbst, ihre Crew und vielleicht
sogar für mehr Leute im Raumcorps, als sie jetzt selber sagen konnte.
»Sie sind damit zufrieden, als ein Werkzeug konzipiert worden zu sein?«,
hakte von Bussev noch einmal in aggressivem Tonfall nach, und fast hätte
An'ta aufgelacht. Werkzeug? Nein, Waffe. Aber sie nickte nur knapp.
»Das bin ich. Und im Gegensatz zu Ihnen habe ich damit weder ein moralisches
noch ein ethisches Problem. Ich bin für die Aufgaben, die ich zu erfüllen
habe, am besten geeignet und mit den entsprechenden Fertigkeiten ausgestattet
worden – Sie würden vielleicht sagen: designt. Haben Sie mit diesem
Ausdruck Schwierigkeiten? Oder mit dem Gedanken, ein intelligentes, unabhängiges,
selbständiges Werkzeug
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