Rettungskreuzer Ikarus Band 017 - Das Anande-Komplott
Geschichten! Und mein Monster
ist ebenso unschuldig und holt mich jetzt ein und bringt mich zu Fall ...«
»Schöne Worte, Doc«, unterbrach Sonja die hitzige Selbstanklage,
und ihre Stimme klang plötzlich sehr kalt. »Sehr hübsch. Haben
Sie das in den letzten Tagen oft vor dem Spiegel geübt?«
Anande starrte sie mit offenem Mund an, und dann wurde sein Gesicht dunkel vor
Zorn. Er sprang auf und wollte etwas entgegnen, aber Sonja kam ihm zuvor.
»Was meinen Sie, was ich von mir denken würde, wenn ich in meiner
Vergangenheit ähnlichen Mist gebaut hätte wie Sie? Können Sie
aus ihrem See des Selbstmitleids mal so weit auftauchen, um sich kurz umzusehen?
Ich habe nämlich meine eigene kleine Katastrophe, erinnern Sie sich?«
Sonja knallte ihr Glas auf den Tisch und stellte sich vor Anande hin, die Hände
in die Seiten gestemmt.
»Oh, ja, ich hatte in meiner Zeit auf der Oremi ganz bestimmt edlere
Beweggründe und war ein besserer Mensch als Sie, weil ich nur gespielt,
gesoffen und herumgehurt habe und meine Nachlässigkeit einem sehr feinen
Captain das Leben kostete, der den menschlichen Dreckhaufen, der ich damals
war, sogar noch rettete. Klar, ich hatte keine Finanzinteressen eines Konzerns
hinter mir, keine Eitelkeiten, keinen Größenwahn, ganz im Gegenteil.
Aber ich habe auch nicht versucht, ein Heilmittel für eine schreckliche
Krankheit zu finden und damit Tausenden von Wesen Leiden und Tod zu ersparen.
Nein, mir ging es nur und ganz und gar um mich selbst.«
Sie brüllte jetzt und in ihren Augen waren Tränen des Zornes, aber
auch des Schmerzes.
»Meinen Sie, es ist ein Vergnügen, auf mein damaliges Ich zurückzublicken?
Dass ich mich mit Freude daran erinnert, was ich war und was ich getan und gelassen
habe? Wir sind uns da sehr ähnlich, Doc, sehr scheißverdammt ähnlich.
Sie haben ein Verbrechen begangen, ich auch. Die Folgen waren in beiden Fällen
die gleichen: Geschöpfe litten und starben durch unsere Ignoranz und Dummheit.
Aber wir beide, Anande, sind danach neu erschaffen worden! Klingt das hochtrabend?
Es ist trotzdem wahr. Ich trage meine weißen Haare nicht, weil es jetzt
Mode ist. Ich würde sie auch nicht färben. Sie sind ein Zeichen dafür,
dass ich nicht mehr die bin, die ich damals war. Ich habe das gleich erfahren,
nachdem ich aus dem Koma aufgewacht bin. Sie haben es über sich eben erst
jetzt erfahren, viel später. Aber so ist es nun mal und jetzt hören
Sie auf, den Schwanz einzuklemmen und zu winseln wie ein geprügelter Hund
– das ist Vergangenheit ! Und eben nur das: vergangen. Wollen Sie
dem jetzt die Gegenwart opfern? Die Zukunft? Meinen Sie, es wird wieder gut,
indem Sie jetzt leiden und sich Ihren Feinden hinwerfen?«
Wieder setzte Anande zu einer Antwort an, und wieder ließ ihn Sonja nicht
zu Wort kommen. Sie war wie ein Gewitter, das über den Arzt hereinbrach,
und es gab keine Möglichkeit, die Blitze und den Donner vorzeitig zu beenden.
»Wenn Sie versuchen wollen, Dinge wieder gut zu machen, dann können
Sie das am besten als das, was sie jetzt sind: als Arzt auf dem Rettungskreuzer,
wo Sie jede Menge Leben retten. Und hören Sie verdammt noch mal auf, zu
jammern wie ein Waschweib und sich in einem Pfuhl aus Selbstmitleid zu wälzen!«
Mit jedem Satz war Anande stiller und verbissener geworden und starrte nun sein
Gegenüber an, kreideweiß und geschockt. Er öffnete den Mund,
schloss ihn wieder und versuchte es erneut.
»Wie ... wie können Sie es sich erlauben, so mit mir zu sprechen?«,
stammelte er schließlich wütend. Sonja erwiderte seinen zornigen
Blick, dann lachte sie völlig übergangslos kurz auf, schüttelte
den Kopf und grinste.
»Wie? Was für eine Frage, Anande. Ganz einfach: weil es jemanden geben
muss, der den anderen in den Arsch tritt, wenn der nicht mehr hoch kommt. Alles
sagt, was unangenehm zu hören ist.
Und das ist die Aufgabe von Freunden.
Wehren Sie sich ruhig dagegen, aber Sie können es eben so wenig ändern
wie Ihre Vergangenheit: Wir sind Ihre Freunde. Ich, Roderick, Darius, Thorpa,
irgendwie auch Arthur und auf gewisse Weise vielleicht sogar An'ta. Und wir
wären es nicht, wenn Sie der Anande von damals wären.«
Für einen Moment stand der Arzt ganz reglos, dann schwankte er leicht und
tastete nach dem Sessel. Er fiel mehr hinein, als dass er sich setzte, und stützte
den Kopf schwer in die Hände. Seine Gefühle wirbelten so
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