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Rettungskreuzer Ikarus Band 021 - Putsch der Heiligen

Rettungskreuzer Ikarus Band 021 - Putsch der Heiligen

Titel: Rettungskreuzer Ikarus Band 021 - Putsch der Heiligen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk van den Boom
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in Erinnerung und große Ehrfurcht, die alle empfanden,
die vom Prior erzählten. Er war immer umgeben von seinen Staubdienern,
hochgestellten Persönlichkeiten, die die Kirche am Leben hielten und zwischen
dem Prior und den Gläubigen vermittelten. Normalerweise ging man nur zum
Amtssitz des Priors, wenn man eine Bitte vorbringen wollte, in der Regel zu
den Audienzzeiten. Und dorthin sollte er die alte Frau bringen? Wenn sie krank
war, so war doch das Hospiz des Staubhauses der Ort, an dem sie Aufnahme finden
würde.
    »Wieso zum Prior?«, hatte Uhul seinen Zweifel geäußert.
»Ich kann doch nicht zum Prior.«
    »Doch, das kannst du. Du bringst mich als Geschenk.«
    »Als Geschenk?« Uhul war nun völlig verwirrt gewesen. Was sollte
der erhabene Prior denn mit einer alten Frau anfangen? Alles in ihm hatte sich
danach gedrängt, einfach umzudrehen, und sich wieder kopfüber in die
vorbeiströmende Menge der Marktbesucher zu stürzen.
    »Bleib!«, hatte die Stimme der alten Frau geboten, als habe sie seine
Gedanken gelesen. Uhul hatte sich nicht fortbewegt. Dann hatte sie sich mühsam
erhoben, einen Arm um den Körper des Jungen gelegt und verlangt: »Stütze
mich!«
    Uhul hatte es einfach getan. Die Alte war leicht wie eine Feder gewesen. Sie
hatte ihn zurück auf die Straße gedrängt, und zur großen
Überraschung des Jungen hatte sich die Menge vor ihnen fast intuitiv geteilt.
Niemand hatte sie angerempelt, ob ihrer Langsamkeit beschimpft. Es war ein unwirkliches
Gefühl gewesen, als ob Uhul Teil einer Insel gewesen wäre, die sich
durch einen Ozean bewegt hatte. Er hatte keine Fragen gestellt, bis sie vor
dem Hauptportal des Amtssitzes angekommen waren. Noch größer war
die Überraschung Uhuls, als die wachhabenden Staubdiener und Milizionäre
ihnen ohne Probleme den Weg zur Tür freigegeben hatten.
    »Lass mich sitzen«, hatte die Alte verlangt. Uhul hatte unvermittelt
gehorcht.
    »Soll ich anklopfen?« Uhul hatte leise gesprochen. Er war jetzt doch
etwas verschüchtert geworden.
    »Nein, der Prior weiß, dass ich hier bin.«
    »Woher das denn?«
    »Es ist mein Tag.«
    »Was für ein Tag?«
    Die Alte hatte geseufzt. »Bin ich froh, dass ich deine Ausbildung nicht
überwachen werde. Du kannst einem Löcher in den Bauch fragen.«
    »Ausbildung?«
    Die Alte hatte noch einmal geseufzt.
    »Es wird wirklich Zeit, dass ich sterbe.«
    Dann war sie in sich zusammengefallen und lag tot auf dem Boden.
    Uhul hatte sie sekundenlang völlig entsetzt angestarrt. Dann hatte er sich
schüchtern zu den Wachen umgedreht, doch die hatten sich nicht bewegt.
    Schließlich hatte sich die Tür des Amtssitzes geöffnet. Hondul,
der Erste Staubdiener, war auf die Treppe herausgekommen, hatte den Körper
der Alten hochgehoben und auf seinen starken Armen gebettet. Dabei hatte er
Uhul forschend angeschaut.
    »Du bist Uhul.«
    Jeder schien ihn zu kennen.
    »Du wirst Staubdiener werden.«
    Uhul hatte seinen Mund geöffnet und dann doch vor lauter Fassungslosigkeit
kein Wort hervorgebracht. Er ein Staubdiener? Allein für die Eingangsprüfungen
waren jahrelange Vorbereitungen notwendig. Eine solche Karriere für einen
Bauernsohn, das war doch eigentlich undenkbar. Staubdiener kamen aus den angesehenen
Familien, die in der Stadt lebten, nicht oder nur selten aus der Landbevölkerung.
Und Uhul hatte seinen bisherigen Schulbesuch nicht wirklich ernst genommen.
    »Ich ...«
    »Die Vorsteherin hat dich hierher gebracht, damit bist du von den Prüfungen
befreit«, hatte Hondul sanft erklärt. »Du musst nicht, wenn du
nicht willst.«
    Nicht wollen?
    Uhul war keinesfalls verrückt. Nicht sehr fleißig, zu groß
für sein Alter und zu starrsinnig (wenn man seinen Eltern Glauben schenken
wollte), aber verrückt war er nicht.
    »Ich will!«, hatte er mit fester Stimme geantwortet.
    Hondul hatte genickt. Die Leiche der alten Frau, die er Vorsteherin genannt
hatte – und Uhul hatte die Ahnung beschlichen, dass es sich um die Vorsteherin
des Staubhauses gehandelt hatte, das weibliche Pendant zum Prior –, war
in den Amtssitz getragen worden. Uhul hatte zu Essen und zu Trinken bekommen
und einen Termin in zwei Wochen, um bei Hondul wegen seiner Ausbildung vorzusprechen.
Dann hatte dieser ihm das Aufnahmeschreiben mit dem Siegel gegeben, damit ihm
seine Eltern glauben würden.
    Sie hatten ihm natürlich nicht geglaubt.
    Doch Uhul war das egal gewesen.
    Er wurde ein

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