Rettungskreuzer Ikarus Band 023 - Flucht von Borsai
nicht einmal die engsten Vertrauten. Daher sind wir zu dem
Schluss gekommen, dass es sich um nichts anderes als ein Hirngespinst handelt.
Vielleicht wollte er etwas in dieser Art erschaffen, aber wäre es ihm gelungen,
dann hätte jeder von uns ein Implantat erhalten. Wir hätten nicht
gezögert, die Geräte zu benutzen, um in Ansareks Namen erst Borsai
zu befreien und dann die Rebellion ins ganze Nexoversum zu tragen. Vielleicht
ist es auch nur eine Geschichte, die er erfunden hat, um den Unterdrückten
Mut zu machen. Wie lange wurde danach gesucht, doch nicht der geringste Hinweis
seiner Existenz wurde gefunden.«
Taisho lächelte sanft.
»Es existiert.«
Unwillkürlich kniff Jason die Augen zusammen. Der Knabe würde ihn
doch nicht etwa an die Philosophen verraten wollen?
»Wie kommen Sie darauf? Sie sind erst wenige Tage hier und wollen herausgefunden
haben, was uns anderen in Jahren, in Jahrzehnten nicht gelang?«
»Marjell Ansarek gab uns den entscheidenden Hinweis.«
Ein spöttischer Seitenblick streifte Jason. Ich weiß, was du gedacht
hast. Jason seufzte schuldbewusst. Sein ewiges Misstrauen! Dabei hatte ihm
Taisho nie einen Anlass gegeben, an seiner Aufrichtigkeit zu zweifeln.
M'neel machte eine wegwerfende Handbewegung.
»Marjell! Vergessen Sie Marjell. Ihr Großvater würde sich im
Grab umdrehen, wüsste er, dass sie mit dem Feind kollaboriert. Alles für
ein paar zusätzliche Jahre. Sie hat zwar niemanden denunziert von denen,
die sie als Kleinkind auf den Knien wiegten, aber es gibt genug andere, die
sie auf dem Gewissen hat. Selbst wenn sie etwas wüsste, sie würde
es keinem von uns verraten.«
»Nun«, bekannte Taisho mit seiner ehrlichsten Miene, »direkt
verraten hat sie es uns auch nicht, aber manchmal ist der Zufall äußerst
hilfreich. Dieser Holowürfel aus dem Nachlass von Markasit Ansarek mit
Bildern von Marjell, Sie kennen ihn? Als wir Marjell nach dem Implantat befragten,
hat sie ihn aus Wut an die Wand geschleudert. Er zerbrach und heraus fiel eine
winzige Karte. Leider wurde sie bei der Explosion zerstört. Allerdings
hatte ich Zeit, mir die Markierungen anzusehen und einzuprägen.«
Er machte eine Kunstpause. Jason bewunderte ihn für dieses Lügenmärchen.
»Ansarek hat das Implantat in der Nähe des Erhabenen Kannya verborgen.
Offenbar hatte er sogar schon Angriffspläne vorbereitet, aber dann kam
er nicht mehr dazu sie auszuführen oder an andere weiterzugeben. Wenn wir
unerkannt in den Süden gelangen, könnten, wäre es möglich,
das Implantat zu bergen und Ansareks letzten Willen zu erfüllen.«
Jason lehnte sich zurück und dachte nach, während Taisho weiter auf
die Philosophen einredete, die sofort begeistert danach verlangten, zum Erhabenen
Kannya aufzubrechen, um die Angeli auszuräuchern. Er an M'neels Stelle
hätte nicht so ohne weiteres den Behauptungen eines Fremden Glauben geschenkt,
selbst wenn Taishos Name den Rebellen nicht unbekannt war und sie ihresgleichen
vertrauten. Was er selbst vielleicht zu misstrauisch war, fehlte diesen Leuten.
Taisho hatte Recht gehabt. Die Philosophen waren tatsächlich ein anderes
Kaliber als der Rat der Weisen von Poterne. Waren die Alten zaudernde Wirrköpfe,
so waren die jüngeren Rebellen übereifrige Wirrköpfe, die sich
der trügerischen Hoffnung hingaben, endlich einen Schlag gegen den Nexus
landen zu können. Nie wären sie auf den Gedanken gekommen, dass Taisho
sie für seine und Jasons Zwecke einspannen wollte und nur ein Bruchteil
der Geschichte stimmte.
Dem Gespräch war zu entnehmen, dass die Philosophen bereit waren, Jason
und Taisho zu helfen und mit ihnen zusammen in den Süden zu reisen. Sie
selber brannten darauf, das Implantat zu finden und den Terror zu den Angeli
zu tragen. Wie genau das funktionieren sollte, das erwartete man den Aufzeichnungen
Ansareks zu entnehmen, die es natürlich nur in Taishos Phantasie gab.
Wie sie irgendwann die Wahrheit den Philosophen erklären sollten und wie
es danach weitergehen würde, davon Jason hatte nicht die geringste Vorstellung.
Hauptsache, sie schafften es bis zum Erhabenen Kannya. Bis dahin fiel ihnen
hoffentlich eine Lösung ein.
Mehrere Rebellen hatten sich alleine oder in kleinen Gruppen auf den Weg nach
Süden gemacht, unter Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel oder einer
geheimen Alternative, die man selbst den neuen Verbündeten nicht verraten
mochte.
Weitere Kostenlose Bücher