Rettungskreuzer Ikarus Band 023 - Flucht von Borsai
Erhabene, sondern die nächste auf der Speiseliste, da
ihr Wissen zweifellos noch interessanter für die Kit8ril war als das von
Jason.
Das war auch der Grund, weshalb ihre Herren nichts von Shillas wahrer Natur
erfahren durfte: Diese Wesen brauchten die lebenden Gehirne. Präziser,
die in ihnen gespeicherten Erinnerungen, das Wissen und auch die Emotionen.
Shilla hatte nicht vergessen, welche gequälten Angstschreie die gemarterten
Gehirne in ihren Containern ausgestoßen hatten. Je mehr sie gepeinigt
wurden, umso intensiver waren ihre Gefühle, und diese waren so etwas wie
das Salz in der Suppe, wenn die Kit8ril sich das Gedächtnis eines ihrer
Opfer einverleibten.
Ja, dies war eines der Geheimnisse der Kit8ril, denen Shilla auf die Spur gekommen
war. Lange hatte sie gerätselt, was es mit den Gehirnen auf sich haben
mochte. Es war eine grauenhafte Entdeckung, aber es schockierte sie nicht sonderlich.
Warum auch? Schließlich handelte es sich um nichts anderes, als die notwendige
Form der Nahrungsaufnahme, unangenehm in erster Linie für die
Nahrung selbst.
Und Shilla war letztendlich ebenfalls Nahrung .
Es war nicht der Tod, der die Vizianerin schreckte, denn sterben musste irgendwann
jeder, auch nicht die Qual, die sie würde erdulden müssen, bevor es
endgültig vorbei war. Sie fand einfach, dass es noch lange nicht an der
Zeit für sie war zu gehen, und wenn, dann würde sie bestimmt nicht
freudig das Opferlamm spielen, sondern sich wehren, soweit es ihr noch möglich
war unter dem Einfluss der Kit8ril.
Wenigstens stellten Akim und die anderen Bediensteten keine Fragen, wenn Shilla
jeden Tag aufs Neue befahl, ein Schiff startklar zu machen. Ihr Wort war Befehl.
Sie ließ ihre Blicke über die trostlose Landschaft wandern, die unter
dem Rumpf des Bootes dahinglitt. Neben ihm tanzten Pteroiden am blauen Himmel.
In einiger Entfernung war ein unförmiger Transporter auszumachen. Das rote
Leuchten des Kraftfelds um das Erhabene Kannya begann, den Bildschirm auszufüllen.
Die saurierähnlichen Wesen stiegen höher hinauf und wandten sich in
Richtung Ozean. Es war Fresszeit: Sie würden nach den fischartigen Lebewesen
jagen, die zu dieser Stunde, ihrerseits nach Futter suchend, aus den tieferen
Regionen des Meeres auftauchten.
Ein Einzelgänger kreiste unbekümmert seine Bahnen.
Nun lächelte Shilla tatsächlich.
Hätte Jason ausreichend Atem gehabt um zu fluchen, dann hätte er die
Pteroiden in die finstersten Abgründe der Hölle gewünscht. Mussten
diese verdammten Biester so nahe kommen? Nur mit Mühe verhinderte er die
Kollision mit einem besonders stattlichen Exemplar dieser Spezies.
Die Flugechsen bestanden praktisch nur aus silbrigen Hautflügeln. Ihr Körper
war relativ klein und lief in einen langen, dünnen Schwanz mit einer Lanzettspitze
aus, der ihnen die Navigation erleichterte. Der Kopf besaß einen langen
Schnabel voller spitzer Zähne. Die Pteroiden nisteten auf den Klippen und
nutzten die Thermik für ihre Gleitflüge, die sie mitunter bis weit
ins Land trugen. Was auf ihrem Speisezettel stand, wusste Jason nicht, aber
er hoffte, dass er nicht gerade auf die Liste gesetzt worden war.
Wenn sie sich nicht paarten, brüteten, schliefen oder fraßen, kreisten
die Pteroiden in kleinen Gruppen am Himmel, trugen Schaukämpfe aus, um
die Weibchen zu beeindrucken und die Rangfolge innerhalb des Schwarms neu festzulegen,
oder beobachteten die seltsamen Objekte, die in ihr Revier eindrangen. Jason
schickte ein Stoßgebet an die Götter, an deren Existenz er nicht
glaubte, dass die Tiere ihn nicht als Rivalen oder gar als paarungswillig erachteten.
Er fragte sich, ob er etwa zu viel mit dem schwanzähnlichen Steuer gewackelt
hatte, denn ein dicker Flattermann wollte nicht von seiner Seite weichen.
Aus schwarzen Knopfaugen musterten ihn die Pteroiden, die offenbar keine Scheu
kannten und ihm gefährlich dicht auf die Pelle rückten. Während
Jason für etwaige Beobachter am Boden wie ein silberner Flugdrache erscheinen
mochte, da Farbe, Form und Ausmaße denen der Reptilien angepasst worden
waren, würden die Tiere aus unmittelbarer Nähe sicher sehen und riechen,
dass er nicht zu ihnen gehörte. Es hatte Jason jedoch niemand verraten
können, ob sie aggressiv reagieren oder ihn in Ruhe lassen würden,
sobald ihre Neugierde gestillt war.
Zumindest hatten sie ihn bisher nicht angegriffen, aber sie
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