Rettungskreuzer Ikarus Band 031 - Das Projekt
Raumpiraten dem
Kassarier aufgelauert haben könnten.«
»Oder jemand anderes.«
»Oder jemand anderes«, echote Trooid. »Sie denken, es könnten
Outsider gewesen sein?«
»Raumpiraten schießen üblicherweise ein Schiff manövrierunfähig,
um es anschließend entern und plündern zu können«, gab
Sentenza zu bedenken. »Die Spuren dieses Kampfes sehen aber eher so aus,
als wollte jemand ganz, ganz sicher gehen, dass der Kassarier sein Ziel nicht
erreicht.«
Trooid nickte. »Da haben Sie mit hoher Wahrscheinlichkeit Recht, Sir.«
Es hatte schon Fälle gegeben, in denen Gesandte von Regierungen, welche
sich auf Vortex Outpost der Allianz gegen die Outsider anschließen wollten,
entweder tot oder gar nicht am Ziel angekommen waren. Sally McLennane vermutete
seit einiger Zeit, dass jemand den Delegierten unterwegs auflauerte und sie
gezielt unter Beschuss nahm. Möglicherweise machten Prinz Joran und die
ihm noch verbliebenen Schiffe Jagd auf die Botschafter der potentiellen Alliierten.
Wenn der Kassarier nach dem Anschlag nun noch die Notoperation überlebte,
konnte er ihnen vielleicht Einzelheiten über den Überfall erzählen
– und so hatten sie eventuell eine Chance, der Sache nachzugehen. Sentenza
trommelte mit den Fingerspitzen nachdenklich auf seine Sessellehne, als Thorpa
eintrat. Der Captain kannte den Pentakka inzwischen gut genug, um aus der Körpersprache
des kleinen Wesens eine gewisse Resignation herauslesen zu können. Mit
hängenden Zweigen schlurfte Thorpa zu seiner Station, ohne Sentenza oder
Trooid eines Blickes zu würdigen.
»Alles in Ordnung, Thorpa?«, erkundigte sich Sentenza.
»Bestens«, brummte Thorpa.
»Was sagt der Doc?«
Thorpas Zweige kräuselten sich. »Doktor Anande kommt mit seinem Patienten
sehr gut alleine klar«, zirpte er.
Sentenzas Mundwinkel zuckten nach oben. Vermutlich hatte Anande dem Pentakka
mehr oder weniger höflich zu verstehen gegeben, dass seine Anwesenheit
im OP eher störte, als nützte. Seit der großen Schlacht um Vortex
Outpost war der Arzt nicht mehr derselbe; die enormen Anstrengungen und das
in diesen Stunden erlebte Grauen hatten einen bisher unbekannten Sinn für
Zynismus in ihm zum Vorschein gebracht. Zuweilen legte Anande in Stresssituationen
nun einen ausgeprägten Galgenhumor an den Tag, und da die Operation des
Kassariers gewiss seine volle Konzentration erforderte, war der Arzt sicher
in der entsprechenden Laune gewesen.
Thorpa wollte gerade noch etwas sagen, als ihm ein eingehender Funkspruch zuvorkam.
»Captain, ein Anruf von Mrs. McLennane.«
Sentenza setzte sich aufrecht. »Auf den Schirm.«
Das havarierte kassarische Kurierschiff auf dem Brückenmonitor wurde durch
das Bild von Sally McLennane ersetzt. Die Direktorin des Raumcorps saß
an ihrem Schreibtisch und blickte müde in die Kamera. »Hallo, Captain.
Wie ist die Lage?«
»Ernst, aber nicht hoffnungslos, Ma'am. Wir haben das Schiff im Schlepptau
und den Piloten an Bord.«
Sally schürzte die Lippen. »Haben Sie die Identität der Passagiere
überprüft?«
»Der Pilot war allein an Bord. Die Unterlagen, die er bei sich trug, weisen
ihn als einen Kassarier namens Piirk-Kriiq vom Clan Virunga aus.«
»Piirk-Kriiq vom Clan Virunga«, wiederholte Sally. Sie beugte sich
interessiert vor. »Mehr wissen Sie nicht über ihn?«
Sentenza schüttelte den Kopf. »Nein, wieso? Sollten wir ihn kennen?«
Das Gesicht der Direktorin wurde ernst. »Das erkläre ich Ihnen später.
Es ist aber von größter Wichtigkeit, dass dieser Piirk-Kriiq unverzüglich
und unversehrt nach Vortex Outpost gebracht wird.«
»Das ›unverzüglich‹ ist das kleinere Problem. Wir sind schon
fast da«, sagte Sentenza, »aber dass er ›unversehrt‹ ankommt,
kann ich nicht versprechen. Der Kassarier liegt unten bei Anande im OP. Es hat
ihn ziemlich übel erwischt, und wir wissen nicht, ob er durchkommt.«
»Ich verstehe.« McLennane ließ die Schultern hängen. »Dann
sollten wir alle beten, dass Anande seinen Job gut macht, Captain.«
Sonja DiMersi richtete sich stöhnend auf und presste die Hände gegen
ihre schmerzende Wirbelsäule. Sie hatte das Gefühl, auseinander zu
brechen. Sterne tanzten vor ihren Augen, und für einen Moment blieb ihr
die Luft weg. Es dauerte einige Augenblicke, bis sie sich wieder unter Kontrolle
hatte. Die Schmerzen rührten allerdings nicht von einer Verletzung her,
ganz im Gegenteil.
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