Rettungskreuzer Ikarus Band 032 - Vor der großen Stille
unangekündigt verlassen. Im Falle eines gegnerischen
Angriffes ist den Anordnungen des militärischen Kontrollsystems unmittelbar
Folge zu leisten. Auf Ephalus herrscht Kriegsrecht. Darüber hinaus verlangen
wir die Übermittlung des Lagermanifests.«
Auch darauf waren sie vorbereitet. Trooid sandte die Liste, was die Systemkontrolle
erst mal zu befriedigen schien, denn es gab keine weitere Kommunikation. Die Ikarus glitt durch das System.
»Wenig Schiffsverkehr«, berichtete An'ta. »Ein paar Kampfschiffe
auf Patrouille. Ich orte keine Adlaten. Können wir sicher sein, dass sich
hier welche aufhalten?«
Die Frage war an niemand speziellen gerichtet, aber Cedian fühlte sich
angesprochen.
»Sie werden sich in der Sonnenkorona versteckt halten. Selbst die Outsider
haben uns in einem solchen Versteck nie aufspüren können. So täuschten
wir sie immer über unsere Präsenz und wahre Stärke.«
»Gut, Cedian, dann dürfte es an der Zeit sein, dass sich unsere Wege
vorerst trennen«, sagte Sentenza. Es machte wenig Sinn, mit einem angeflanschten
Adlaten auf dem Raumhafen zu landen. Das würde einige sehr neugierige Fragen
auslösen, und sehr viel Aufmerksamkeit wollte Sentenza eigentlich erst
einmal nicht erregen.
»In der Tat, Captain. Ich löse mich von der Ikarus .«
Der Adlat verfügte, wenn er wollte, über einen guten Ortungsschutz,
den er nun einsetzte, um seine Abkopplung vom Rettungskreuzer zu tarnen. Im
System selbst würde ein herumfliegender Adlat weder auffallen noch angerufen
werden, das Hilfsvolk Lears verfügte während des Krieges über
taktische und operative Narrenfreiheit, wie sowohl Cedian wie auch Panettone
unabhängig voneinander bestätigt hatten. Cedian würde sich auf
den Weg zum Zentralgestirn machen, um seine Artgenossen zu kontaktieren. Sentenza
vermochte sich nicht auszumalen, was dieser höchst seltsame Besuch für
Irritationen unter den Adlaten auslösen würde. Er wünschte sich,
dabei sein zu können und wünschte Cedian viel Glück.
Auf der zentralen Darstellung der Brücke wurde der Adlat erkennbar, wie
er sich stetig immer weiter von der Ikarus entfernte. Dann war er aus
der optischen Erfassung verschwunden.
Sentenza nickte.
»Wie lange bis zur Landung, Trooid?«
»Rechnen Sie mit etwa zwei Stunden.«
»Ich bin in meiner Kabine. An'ta, Sie haben das Kommando.«
Damit erhob er sich und verließ die Brücke.
Als er nachdenklich in seiner Kabine ankam, legte er sich auf seine Koje, schloss
die Augen und versuchte, sich zu entspannen. Die Müdigkeit, die ihn befallen
hatte, war mehr als körperliche Erschöpfung, es war eher das Gefühl,
gründlich die Nase voll zu haben. Seit die Ikarus in Dienst gestellt
worden war, so zeigte sich im Rückblick jetzt sehr deutlich, hatte man
die Schatten der Outsider und ihrer Helfershelfer gejagt. Sentenza fühlte
in den letzten Wochen immer deutlicher, wie sehr ihm all dies gegen den Strich
ging, seine physischen und psychischen Kräfte aus ihm heraus sog. Er wünschte
sich Ruhe, Entspannung, wollte eigentlich nur noch in aller Gelassenheit seinen
Sohn zur Welt kommen sehen und ihn erziehen. Doch selbst dann, wenn es einmal
einige Tage nicht so hektisch zuging, blieb diese innere Unruhe, die er sich
nur damit erklären konnte, dass er diesen Albtraum endlich aus seinem Bewusstsein
haben wollte. Der Schrecken, der ihn erfüllte, wenn er daran dachte, dass
sein Kind in einer von Outsidern beherrschten Welt geboren werden würde,
war unbeschreiblich und mehr als nur kreatürliche Angst. Im Grunde bangte
er, wie jeder Vater, um seine eigene Unsterblichkeit, die sich in seinen Kindern
manifestierte, und die weiter zu tragen er bewusst oder unbewusst als ihre Aufgabe
ansah. Eine kurze Lebensspanne nur unter der Herrschaft des Nexoversums, so
kurz, dass man sich fragen musste, welchen Sinn es überhaupt noch machen
sollte, eine Familie zu gründen.
Sentenza merkte, dass er seine Hände zu Fäusten geballt hatte. Es
bedurfte einer bewussten Kraftanstrengung, seine Finger wieder zu entspannen.
Dies alles musste ein Ende haben, und wenn es das Letzte war, was er tat.
Er richtete sich auf und gab der Servoautomatik einen geflüsterten Befehl.
Schwarzer, starker Kaffee gluckerte in einen Becher. Der würzige Geruch
erfüllte die Kabine und belebte seine Lebensgeister. Er setzte sich auf,
nahm die Tasse in beide Hände und führte sie zu den Lippen. Der
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