Rettungskreuzer Ikarus Band 047 - Sudekas Traum
Multimperiums die Eminäus nicht beschlagnahmten, hatte seinen Grund weniger darin, dass der Ursprung des jahrzehntealten Frachters nicht mehr aufzuklären war, sondern war vor allem damit zu rechtfertigen, dass der Frachter nur eine geringwertige Prise darstellte, mit der sich der Kommandant eines Kreuzers des Multimperiums nicht belasten wollte.
Der einzige Vorteil, den die Eminäus gegenüber der Solaria geboten hatte, waren die großzügigeren Räume für die Besatzung gewesen. Die Eminäus war für drei Personen ausgelegt worden, Sudeka Provost flog das Raumschiff allein. Die Fußböden hingegen waren schmierig und stanken. Provost hatte rasch den Versuch aufgegeben, die Böden zu säubern. Der Anstrich der Schotte und Innenwände war verblasst, überall zeigte sich Rost. Die Beleuchtung der Kabinen, der Brücke und der Kombüse funktionierte nur noch teilweise, und Provost gelang es nie, sie zu reparieren.
Immerhin war die Außenhülle intakt, die Konsolen auf der Brücke ebenso – und vor allem der Hyperantrieb.
Die Eminäus war es auch, die sie nach Percurius im Outback brachte. Die Scanner des Frachters hatten Werte geliefert, die auf umfangreiche Erzvorkommen auf dem zweiten Planeten des Sonnensystems hinwiesen. Die Geräte der Eminäus waren nicht in der Lage gewesen, die Art des Erzes zu bestimmen, ob es wertloses Vanadium, Tungsten, Molybdän oder etwas anderes war. Das überraschte sie aber nicht. Immerhin hatte sie einen Frachter erworben, kein Explorationsraumschiff. Dass sie ein solches Hightech-Produkt Jahrzehnte später als Geschenk erhalten würde, hatte sie damals nicht geahnt.
Sie landete mit dem Shuttle der Eminäus auf Percurius II, nahm Messungen vor und konnte ihr Glück kaum fassen, als sie erkannte, dass sie auf die bislang größten Tronium-Vorkommen gestoßen war.
Fast hätte sie es nicht zurück an Bord der Eminäus geschafft.
Die Querstabilisatoren des Shuttles waren ausgefallen. In ihrer Euphorie hatte sie die rote Displayanzeige beinahe übersehen. Zwei planetare Tage und Nächte verbrachte Sudeka Provost auf Percurius II, bis sie das Shuttle provisorisch instand gesetzt hatte. Das Werkzeug und die Ersatzteile, die für eine adäquate Reparatur benötigt hatte, befanden sich an Bord der Eminäus.
Der Start von Percurius II und der Rückflug zur Eminäus verliefen problemlos.
Nachdem sie die Schürfrechte auf Percurius II meistbietend verkauft hatte, ließ sie die Eminäus verschrotten und einen neuen Frachter bauen, die Ophelia.
Ein leises Piepen der Navigationsinstrumente schreckte Provost auf und katapultierte sie schlagartig aus der Vergangenheit in die Gegenwart zurück. Die Konsole signalisierte ihr, dass sie die letzten Ausläufer der Rho-Dunkelwolke verlassen hatte.
Die Finger von Sudeka Provosts rechter Hand tanzten über die Navigationskonsole. Sie rief den Kurs auf, den sie bereits kurz nach dem Start von Oltugos programmiert hatte, nämlich nach Fagor IV. Sie gab die Aktivierungssequenz ein.
Die Solaria änderte den Kurs und beschleunigte. Sudeka Provost spürte ein leichtes Ziehen in ihren Eingeweiden. Dann sprang das Raumschiff in den Hyperraum.
Das rechte Auge Provosts juckte. Automatisch hob sie die rechte Hand, um es zu berühren, hielt jedoch inne. Sie seufzte. Das Implantat war die Erinnerung an ihren letzten unmittelbaren Kontakt mit den Multimperium vor einunddreißig Jahren, auf Thissel III.
Das Thissel-System lag zwar am Rande des Multimperiums, aber noch in einer Region, die der Imperator als seine Einflusssphäre betrachtete . Für das Freie Raumcorps war es ein Novum, sich darum zu bemühen, einen kompletten Planeten unter seinen Einfluss zu bekommen . Vordergründig als Handels- und Werftstützpunkt, insgeheim als Basis, um die Aktivitäten des Multimperiums mit Langstreckenscannern zu überwachen.
Das Freie Raumcorps hatte sich seinerzeit entschlossen, den Konflikt um Thissel III auf dem Verhandlungsweg zu lösen. Eine militärische Konfrontation mit dem Multimperium hatte es sich nicht leisten können.
Provost hatte die Delegation des Raumcorps angeführt, zu der neben ihr noch Tyrn Gorthard, Ingrid Noell und ein unscheinbarer, zurückhaltender und unbeholfener junger Mann namens Emanuele Ferrante gehört hatten. Gorthard und Noell waren die führenden Wirtschaftsjuristen des Freien Raumcorps, während Ferrante als Protokollant tätig werden sollte. Provost selbst – damals war sie seit genau neun Jahren Direktorin des Corps, seit dessen
Weitere Kostenlose Bücher